Jens Ruchatz
Die serielle Struktur der periodischen Erscheinungsform fordert allerdings, den
Blick weiter schweifen zu lassen. Die aktuelle Forschung zu Porträtserien und Foto-
Interviews des 19. Jahrhunderts tendiert dazu, sich disziplinkonform auf jeweils eine
bestimmte Sparte von Celebrities zu beschränken, und berücksichtigt nicht ange-
messen die grundsätzliche Gleichwertigkeit der diversen Ausprägungen der Celebrity,
wie sie sich idealtypisch in der seriellen Reihung ausdrückt.58 Durch die Konzentration
auf Interviews, die entweder mit Künstlern oder mit Schriftstellern geführt wurden,
kann man zweifellos Aufschluss darüber gewinnen, wie populäre Massenmedien
daran mitgewirkt haben, ein neues Verständnis von Künstlern als Personen des öf-
fentlichen Lebens zu popularisieren. Schon für sich genommen, erst recht aber in
der seriellen Konstellation von Porträtsammlungen materialisiert, wirft der Begriff
der,Celebrity' die Frage auf, was Künstler und Schriftsteller mit anderen Celebrities
verbindet. Zu Celebrities waren Künstler aller Sparten: Maler, Schriftsteller, Kompo-
nisten, Sänger oder Schauspieler, prädestiniert, weil von ihnen erwartet wurde, ihre
unverwechselbare Persönlichkeit in ihrem Schaffen auszudrücken. Die den Celebrity-
Diskurs in Schwung haltende Frage, wie authentisch oder künstlich die öffentliche
Person ist, lag hier auf der Hand. Das bunte Spektrum der im Strand interviewten
Personen zeigt dagegen, dass der Impetus der Celebrifizierung noch weiter reichte.
Die Forderung, sich als authentische Person zu präsentieren, private und öffentliche
Existenz zu harmonieren, wurde nicht nur an künstlerisch tätige Personen adressiert,
sondern gleichermaßen an Militärs, Politiker und Wissenschaftler, die sich in der Öf-
fentlichkeit bewegten. Wenn man lediglich die Ausfaltung dieses Phänomens in Kunst
und Literatur herausgreift, droht man bestimmte Formen der Individualisierung für
kunstspezifisch zu halten, denen alle in der Öffentlichkeit stehenden Personen mehr
oder minder unterworfen waren.
Dass sich Celebrities - und Künstlerporträts - im Rahmen einer populären Publi-
kumszeitschrift nicht nur an einer Stelle einfinden, sollte nicht wundern. Im Strand
bringt das öffentliche Interesse unter Anderem solche Köstlichkeiten wie den Artikel
Pigs of Celebrities hervor,59 der in dahingeworfenen Zeichnungen von Schweinen
nach Spuren der Persönlichkeit fahndet. Blättert man in der Nummer, die das Interview
mit Leighton enthält, weiter, so stößt man zwischen Kriminalgeschichten und einer
Reportage über die Zöglinge einer Militärakademie auf A Day with Dr. Conan Doyle,
einen Beitrag von How, der exakt dem Muster der Illustrated Interviews folgt, ohne
einen Teil der durchnummerierten Serie zu bilden.60 In diesem Interview treffen
zwei der wichtigsten Beiträger des Strand aufeinander, was möglicherweise den Son-
derstatus des Beitrags erklärt. Künstlern begegnet man dagegen in der Rubrik mit
dem aussagekräftigen Titel Portraits of Celebrities at Different Times of their Lives,
einer weiteren der für den frühen Strand identitätsstiftenden Serien.61 Gleich sechs
verschiedene Celebrities tauchen hier auf.62 Zum Auftakt finden sich auf der linken
Seite (Abb. 4) drei Porträts des Akademie-Mitglieds Philip H. Calderon, die ihn, wie
die Bildunterschriften verraten, im Alter von 18, 31 und 58 zeigen. Ihm gegenüber
wird sein Kollege Edward J. Poynter in gleich fünf Porträts gewürdigt, die seinen Le-
benslauf vom Alter von neun Monaten bis zum 52. Jahr abdecken. Eine persönliche
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Die serielle Struktur der periodischen Erscheinungsform fordert allerdings, den
Blick weiter schweifen zu lassen. Die aktuelle Forschung zu Porträtserien und Foto-
Interviews des 19. Jahrhunderts tendiert dazu, sich disziplinkonform auf jeweils eine
bestimmte Sparte von Celebrities zu beschränken, und berücksichtigt nicht ange-
messen die grundsätzliche Gleichwertigkeit der diversen Ausprägungen der Celebrity,
wie sie sich idealtypisch in der seriellen Reihung ausdrückt.58 Durch die Konzentration
auf Interviews, die entweder mit Künstlern oder mit Schriftstellern geführt wurden,
kann man zweifellos Aufschluss darüber gewinnen, wie populäre Massenmedien
daran mitgewirkt haben, ein neues Verständnis von Künstlern als Personen des öf-
fentlichen Lebens zu popularisieren. Schon für sich genommen, erst recht aber in
der seriellen Konstellation von Porträtsammlungen materialisiert, wirft der Begriff
der,Celebrity' die Frage auf, was Künstler und Schriftsteller mit anderen Celebrities
verbindet. Zu Celebrities waren Künstler aller Sparten: Maler, Schriftsteller, Kompo-
nisten, Sänger oder Schauspieler, prädestiniert, weil von ihnen erwartet wurde, ihre
unverwechselbare Persönlichkeit in ihrem Schaffen auszudrücken. Die den Celebrity-
Diskurs in Schwung haltende Frage, wie authentisch oder künstlich die öffentliche
Person ist, lag hier auf der Hand. Das bunte Spektrum der im Strand interviewten
Personen zeigt dagegen, dass der Impetus der Celebrifizierung noch weiter reichte.
Die Forderung, sich als authentische Person zu präsentieren, private und öffentliche
Existenz zu harmonieren, wurde nicht nur an künstlerisch tätige Personen adressiert,
sondern gleichermaßen an Militärs, Politiker und Wissenschaftler, die sich in der Öf-
fentlichkeit bewegten. Wenn man lediglich die Ausfaltung dieses Phänomens in Kunst
und Literatur herausgreift, droht man bestimmte Formen der Individualisierung für
kunstspezifisch zu halten, denen alle in der Öffentlichkeit stehenden Personen mehr
oder minder unterworfen waren.
Dass sich Celebrities - und Künstlerporträts - im Rahmen einer populären Publi-
kumszeitschrift nicht nur an einer Stelle einfinden, sollte nicht wundern. Im Strand
bringt das öffentliche Interesse unter Anderem solche Köstlichkeiten wie den Artikel
Pigs of Celebrities hervor,59 der in dahingeworfenen Zeichnungen von Schweinen
nach Spuren der Persönlichkeit fahndet. Blättert man in der Nummer, die das Interview
mit Leighton enthält, weiter, so stößt man zwischen Kriminalgeschichten und einer
Reportage über die Zöglinge einer Militärakademie auf A Day with Dr. Conan Doyle,
einen Beitrag von How, der exakt dem Muster der Illustrated Interviews folgt, ohne
einen Teil der durchnummerierten Serie zu bilden.60 In diesem Interview treffen
zwei der wichtigsten Beiträger des Strand aufeinander, was möglicherweise den Son-
derstatus des Beitrags erklärt. Künstlern begegnet man dagegen in der Rubrik mit
dem aussagekräftigen Titel Portraits of Celebrities at Different Times of their Lives,
einer weiteren der für den frühen Strand identitätsstiftenden Serien.61 Gleich sechs
verschiedene Celebrities tauchen hier auf.62 Zum Auftakt finden sich auf der linken
Seite (Abb. 4) drei Porträts des Akademie-Mitglieds Philip H. Calderon, die ihn, wie
die Bildunterschriften verraten, im Alter von 18, 31 und 58 zeigen. Ihm gegenüber
wird sein Kollege Edward J. Poynter in gleich fünf Porträts gewürdigt, die seinen Le-
benslauf vom Alter von neun Monaten bis zum 52. Jahr abdecken. Eine persönliche
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