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Brandt, Annalena [Hrsg.]; Hefele, Franz [Hrsg.]; Lehner, Hanna [Hrsg.]; Pfisterer, Ulrich [Hrsg.]
Pantheon und Boulevard: Künstler in Porträtserien des 19. Jahrhunderts, Druckgrafik und Fotografie — Passau: Dietmar Klinger Verlag, 2021

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Brandt, Annalena; Hefele, Franz; Lehner, Hanna; Pfisterer, Ulrich: Pantheon und Boulevard. Künstlerbildnisse zwischen Ideal, Dokumentation und Karikatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.70035#0010
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Annalena Brandt, Franz Hefele, Hanna Lehner, Ulrich Pfisterer
Pantheon und Boulevard. Künstlerbildnisse zwischen Ideal,
Dokumentation und Karikatur

Die in vieler Hinsicht entscheidend veränderte Wahrnehmung und (Selbst-)Darstellung
von Künstlern im langen 19. Jahrhundert zeigt sich besonders deutlich an den Extre-
men: im monumental Großen wie im ganz Kleinen.
Nachdem schon 1738 erstmals ein öffentliches Monument für einen (lebenden)
Künstler errichtet worden war - eine Sitzstatue für den Komponisten Georg Friedrich
Händel, geschaffen von Louis-Francois Roubiliac, in den Londoner Vauxhall Gar-
dens -, nachdem um 1760 die Fassade der Bildergalerie Friedrichs des Großen in
Sanssouci mit Büsten berühmter Künstler von der Antike bis ins 17. Jahrhundert ge-
schmückt worden war, plante der directeur des Bätiments Ludwigs XVL, der Comte
d'Angiviller, ab 1774 im Louvre eine Galerie französischer hommes illustres inklusive
einiger Künstler. Angesichts der Krise der Monarchie sollten so Patriotismus und
Streben nach Tugend und Ruhm befördert werden.1 Ab den Jahren um 1800 setzte
dann in ganz Europa eine Flut öffentlicher Statuen- und Denkmalsetzungen für Künst-
ler ein, die zumindest teilweise auch in druckgrafischer Reproduktion bekannt gemacht
wurden. So erschienen die von Ludwig von Schwanthaler um 1835/40 für die Dach-
balustrade der (Alten) Pinakothek geschaffenen 24 Künstlerfiguren ab 1839 in Heften
ä vier Kupferstiche - offenbar blieb es allerdings bei nur vier Lieferungen (Abb. la
und lb).2 Und die Statuen von Bildhauern aus Antike und Neuzeit, die sich ab 1840
an den Außenwänden der Glyptothek aufzureihen begannen, wurden zwischen 1856
und 1862 in der Leipziger Illustrirten Zeitung im Holzstich vorgestellt (Abb. 2).3 Der
Name,Pantheon' schließlich wurde ebenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals
(möglicherweise 1816) auf eine Zusammenstellung druckgrafischer Bildnisse be-
rühmter Männer übertragen.4
Im Kleinen erwies sich die neue Popularität der Künstler etwa an der Gattung des
Poesie- und Freundschaftsalbums: „Ehemals fand man dieses Luxus-Objekt aus-
schließlich bei den höchsten Schichten des Adels, in den Salons der eleganten Welt,
auf dem Tisch der dame ä la mode; heute hat es einen unaufhaltsamen Fall getan bis
in die bürgerliche Klasse hinab."5 Über die Bedeutung und zunehmend inflationäre
Verwendung dieser Alben machte sich Francis Guichardet 1841 in Les Franpais peints
par eux-memes lustig, einem satirischen Panoptikum der Charakter-Typen und Tä-
tigkeiten des französischen Volkes in Text und Bild. Die (zu diesem Zeitpunkt offenbar
vor allem) Besitzerinnen besagter Alben unternähmen alles, um für sich möglichst
unveröffentlichte Gedichte und Bonmots eines „Lamartine, Victor Hugo, Alfred de
Musset, Mery" und Bildeinträge eines „Delaroche, Champmartin, Scheffer, und Dela-
croix" - kurz: der ungesagtesten Literaten und Maler der Zeit - einzusammeln. Ein
noch so banales Zeugnis von deren Hand wurde zum ganzen Stolz und zugleich Aus-

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