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Brandt, Annalena [Hrsg.]; Hefele, Franz [Hrsg.]; Lehner, Hanna [Hrsg.]; Pfisterer, Ulrich [Hrsg.]
Pantheon und Boulevard: Künstler in Porträtserien des 19. Jahrhunderts, Druckgrafik und Fotografie — Passau: Dietmar Klinger Verlag, 2021

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[Katalog] 19. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.70035#0220
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1811-1820

Kat. 24
Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798) und Ludwig Tieck (1773-1853)
Phantasien über die Kunst, von einem kunstliebenden Klosterbruder
Bd. 9 aus: Ludwig Tieck’s Sämmtliche Werke, 30 Bde., Wien 1817-1824 (Raubdruck)
Wien: Leopold Grund
1818
8°; [2], X, 11-250; Frontispiz (Kupferst.) mit 4 Künstlerporträts
Staats- und Stadtbibliothek Augsburg
Weitere Aufl.: Wien: Leopold Grund 1819
„Die Muse tritt mit einem jungen Künstler in den Gemäldesaal." So heißt es, einer Re-
gieanweisung gleich, ganz zu Beginn eines fiktiven Dialogs über „Die Bildnisse der
Maler" (S. 161-164), der ursprünglich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in den Her-
zensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (Berlin 1797; im Jahr zuvor be-
reits anonym erschienen) veröffentlicht worden war. Erneut abgedruckt fand sich
der kurze, von Wackenroder und Tieck gemeinsam verfasste Text (S. VII) dann
erstmals wieder in einer veränderten zweiten Auflage unter dem Titel Phantasien
über die Kunst, von einem kunstliebenden Klosterbruder, die 1814 in der Berliner Re-
alschulbuchhandlung herauskam. Vier Jahre später wurde diese Aufsatzsammlung
unerlaubt republiziert, und zwar als Band neun von Ludwig Tieck's Sämmtlichen Wer-
ken (1817-1824), einer Wiener Raubdruckreihe, deren 30 Schriften allesamt Fronti-
spizien enthalten; im Falle der Phantasien über die Kunst nimmt die neu hinzuge-
kommene Abbildung - gestochen von Johann Caspar Weinrauch und entworfen von
Sigmund Ferdinand von Perger - Bezug auf den genannten Dialog (Taf. 24a).
Die Muse führt den jungen Künstler durch den Gemäldesaal. Seine langen gelockten
Haare und das historisierende Gewand lassen an Dürer denken, wobei Darstellungen,
die diesen auch tatsächlich als Jugendlichen zeigen, erst etwas später aufkommen
sollten.1 Gemeinsam ist man vor einer Wand mit vier Porträts stehen geblieben, den
titelgebenden Bildnissen der Maler, jener „großen Ahnherrn", denen sich der Jüngling
„verwandt" und doch zugleich ehrfurchtsvoll „entfremdet" fühlt, angesichts derer er
wie „festgebannt" ist (S. 161), was auch seine auf den ersten Blick irritierende, beinahe
ab wehrende, jedenfalls zurückweichende Haltung motiviert. Zu erkennen sind, im
Uhrzeigersinn und zunächst ohne Probleme: Leonardo, Michelangelo, Raffael und
dann - ja, wer?
Der Vierte im Bunde ist, natürlich, Dürer, das bestätigt nicht zuletzt der Text, al-
lerdings befremdet das Konterfei, zeigt nicht den üblichen Typus mit langem Locken-
haar und Bart, sondern ein Gesicht, das keinem bekannten Porträt von Dürer gleicht.
Die Vorlage für die Darstellung dürfte stattdessen in Dürers zweitem Bildnis seines
Vaters gefunden sein (1497) bzw. in einer der Kopien des Gemäldes oder in einer der
diversen grafischen Reproduktionen (Taf. 24b).2 Dafür sprechen Kleidung und Frisur
der Figur, nicht aber deren Gesichtszüge, die merklich jünger ausfallen, gewiss keinen
70-Jährigen vor Augen stellen. Ein neuerliches Problem. Denkbar - obschon bei der

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