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Brandt, Annalena [Hrsg.]; Hefele, Franz [Hrsg.]; Lehner, Hanna [Hrsg.]; Pfisterer, Ulrich [Hrsg.]
Pantheon und Boulevard: Künstler in Porträtserien des 19. Jahrhunderts, Druckgrafik und Fotografie — Passau: Dietmar Klinger Verlag, 2021

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[Katalog] 19. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.70035#0383
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1841-1850

Kat. 117
Mathew B. Brady (1822/23-1896), Francis D’Avignon (1813-1861) und
C. Edwards Lester (1815-1890)
The Gallery of Illustrious Americans. Containing the Portraits and Biographical
Sketches of Twenty-four of the Most Eminent Citizens of the American Republic,
Since the Death of Washington
New York: M. B. Brady, E D’Avignon, C. E. Lester
1850
2°; 26; 12 Porträttaf. (Lith.), davon 1 Künstlerporträt
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Dass Porträts zwischen Momentaufnahme und historischem Ereignis changieren,
wird nirgends deutlicher als in Rip Van Winkle von 1819, Washington Irvings be-
rühmter Kurzgeschichte. Als der titelgebende Protagonist aus langem Wunderschlaf
erwacht, begreift er die Tragweite seines Problems zunächst gar nicht. Seine Stamm-
taverne ist zwar etwas in die Jahre gekommen, aber an der Wand hängt noch immer
das vertraute Porträt König Georgs III. Erst auf den zweiten Blick dämmert es ihm,
dass der Abgebildete nicht mehr in Rot, sondern Blau gekleidet ist; statt eines Zepters
hält er ein Schwert, und darunter ist in große Lettern gesetzt: General Washington.
Rip Van Winkle hat die Amerikanische Revolution verschlafen.
Irving macht das Staatsporträt zum Bedeutungsträger für Historizität. Modus und
Sprache des Staatsporträts sind gleichgeblieben und doch gibt es wesentliche Verän-
derungen. Im Bildnis Washingtons werden die Errungenschaften von Revolution und
Staatsgründung manifest. Nicht anders ist The Gallery of Illustrious Americans des
amerikanischen Fotopioniers Mathew Brady zu verstehen. In Kooperation mit dem
Druckkünstler Francis D'Avignon hat Brady zwölf, auf eigenen Daguerreotypien ba-
sierende Lithografien vor allem mit Porträts (fast ausschließlich) noch lebender US-
Amerikaner publiziert;1 die dazugehörigen Kurzbiografien hat der Herausgeber C. Ed-
wards Lester verfasst. Die ovalen Porträts sind einheitlich und überwiegend in
Dreiviertelansicht gehalten. Die Vorlagen sind Aufnahmen, die Brady seit den 1840er
Jahren in seinem New Yorker Studio und bei Reisen nach Washington angefertigt hat.
Auch wenn seine Gallery beispielsweise mit dem Historiker William Hickling Prescott
sowie dem Ornithologen und Maler John James Audubon (Taf. 117) ebenfalls Bildnisse
von Personen enthält, die nicht parteipolitisch aktiv waren, gilt ihm das Politische als
erinnerungswürdigste Tat, wie Lester in seiner „Salutation" ausführt. Bradys uomini
illustri sind ein überparteiliches Kaleidoskop US-amerikanischer Expansionspolitik:
angefangen beim damaligen Präsidenten Zachary Taylor, dessen Vorfahren zu den
ersten englischen Siedlern gehört haben, über die War Hawks John Calhoun und Henry
Clay, die zu den wichtigsten Befürwortern des Zweiten Unabhängigkeitskriegs zählen,
bis hin zu Lewis Cass, der als Kriegsminister der Regierung Andrew Jackson die Ver-
treibung und den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern implementiert hat.
Kunst und Literatur sollten, so Lester in der „Salutation", zum Ruhm der Republik
die edlen Taten der Bürger illustrieren und erhalten. Dies bekräftigt die Biografie

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