hatte, dann aber unerwartet durch ein Erbe zu großem Reichtum gekommen war.
Die Eltern der ermordeten Frau waren „wohlhabende Leute gewesen“,6 die Grund-
besitz außerhalb Danzigs ihr eigen nannten. Nach deren Tod war das Erbe allerdings
nicht an die Tochter gelangt, sondern über viele Jahre hinweg vom unlauteren Vor-
mund der unmündigen Erbin zurückgehalten worden. Die Aufsicht über die Ver-
mögen von Waisen war im damaligen Danzig relativ gut geregelt, die erforderli-
chen zivilrechtlichen Umstände aber ließen Vormündern ggf. genügend Freiheiten,
ihren Mündeln zu schaden, die Hinterlassenschaften zu verprassen oder sich selbst
anzueignen.7 Die Stadtoberen bemühten sich darum, solchem Missbrauch Einhalt
zu gebieten, die Verordnung des Stadtrates vom 27. März 1597 ließ allerdings kei-
nen Zweifel daran, dass es immer wieder zu „allerley Unordung und Unrichtigkeit“
in diesem Bereich kam.8 Unehrliche Vormünder, nicht selten Verwandte der hinter-
bliebenen Minderjährigen oder Witwen, konnten an die unter ihrer Obhut stehen-
den Vermögen auf vielfältige Weise gelangen: Sie stellten überhöhte Unterhaltskosten
in Rechnung, sie legten unglaubwürdige Inventare an, sie enthielten den Gerichten
eventuelle Aufbewahrungskosten für Möbel oder ähnliches vor oder sie rechneten
die ihnen zur Aufsicht übertragenen Hinterlassenschaften nicht korrekt ab.
So verhielt es sich auch im Fall der Anna Schultz: Erst nach sich über meh-
rere Jahrzehnte hinziehenden Prozessen, im fortgeschrittenen Alter, wurde ihr
das ihr zustehende Erbe zugesprochen, offenbar sehr viel Geld, wie Bötticher
schreibt („von Ihren Wiedersachern an Bahrschafft etzliche Tausend Gulden
rechtlich erhalten“).9 Der unerwartete Reichtum brachte dem kinderlosen Ehe-
paar Schultz neben einem Glücksgefühl vor allem eine große Furcht vor Dieb-
stahl ein. Sie lebten fortan in ständiger Angst, jemand könne es auf ihr Vermögen
abgesehen haben. Niemals ließen sie ihr Haus ohne Aufsicht. Da sie aber nicht
in der Lage waren, ihren Haushalt allein zu führen, stellten sie eine Magd ein
und versprachen dieser, sie wie ihr eigenes Kind auszustatten. In ihrer Naivi-
tät hätten sie - so Bötticher - in Anwesenheit der jungen Frau ihre Kleinode
aus den verschiedenen Verstecken gezogen und sie betrachtet, wobei sie ihr
versprochen hätten, dass dies alles einmal ihr gehören würde. Dabei hätten
sie - so moralisiert Bötticher weiter - wissen müssen, „Was [...] aber der Geiz
Teuffel an(richtet)?“.10 Die Magd jedenfalls wollte den Lauf der Dinge nicht
6 Der andere Theil des Eberhard Bötchers Chronica, S. 293r.
7 Vgl. einen Überblick zum Thema bei: Piotr Kitowski, Natalia Radecka, Normatywny
model opieki nad sierotami w XVI-wiecznych rewizjach prawa chełmińskiego. Zarys instytucji,
„Czasopismo Prawno-Historyczne“ 2012, nr 1, S. 111-125, sowie die einleitenden Bemerkungen
des Herausgebers in: Księgi małoletnich Głównego Miasta Gdańska z XV wieku („Studia i Mate-
riały do Dziejów Kancelarii w Gdańsku“, t. 3, Seria B: „Księgi Kamlarskie“, t. 2), red. Marcin
Grulkowski, Warszawa 2017, S. 9-17.
8 Edmund Kizik, Gdańskie testamenty reciproce i praktyka tworzenia inwentarzy mienia
w XVII-XVIII w., „Kwartalnik Historii Kultury Materialnej“ 2020, nr 2, S. 205-222.
9 Der andere Theil des Eberhard Bötchers Chronica, Bl. 293r-293v.
10 „Ehr [der Taufel - E.K.] lest sich nicht genügen, das ehr dieser beiden Hertzen mit dem
Geiz besessen, sondern gemeinet das Hertz d. Jungen Diennern auch ab, welche durch Vielfeltiges
Danziger
Nachlass-
inventare. ..
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Die Eltern der ermordeten Frau waren „wohlhabende Leute gewesen“,6 die Grund-
besitz außerhalb Danzigs ihr eigen nannten. Nach deren Tod war das Erbe allerdings
nicht an die Tochter gelangt, sondern über viele Jahre hinweg vom unlauteren Vor-
mund der unmündigen Erbin zurückgehalten worden. Die Aufsicht über die Ver-
mögen von Waisen war im damaligen Danzig relativ gut geregelt, die erforderli-
chen zivilrechtlichen Umstände aber ließen Vormündern ggf. genügend Freiheiten,
ihren Mündeln zu schaden, die Hinterlassenschaften zu verprassen oder sich selbst
anzueignen.7 Die Stadtoberen bemühten sich darum, solchem Missbrauch Einhalt
zu gebieten, die Verordnung des Stadtrates vom 27. März 1597 ließ allerdings kei-
nen Zweifel daran, dass es immer wieder zu „allerley Unordung und Unrichtigkeit“
in diesem Bereich kam.8 Unehrliche Vormünder, nicht selten Verwandte der hinter-
bliebenen Minderjährigen oder Witwen, konnten an die unter ihrer Obhut stehen-
den Vermögen auf vielfältige Weise gelangen: Sie stellten überhöhte Unterhaltskosten
in Rechnung, sie legten unglaubwürdige Inventare an, sie enthielten den Gerichten
eventuelle Aufbewahrungskosten für Möbel oder ähnliches vor oder sie rechneten
die ihnen zur Aufsicht übertragenen Hinterlassenschaften nicht korrekt ab.
So verhielt es sich auch im Fall der Anna Schultz: Erst nach sich über meh-
rere Jahrzehnte hinziehenden Prozessen, im fortgeschrittenen Alter, wurde ihr
das ihr zustehende Erbe zugesprochen, offenbar sehr viel Geld, wie Bötticher
schreibt („von Ihren Wiedersachern an Bahrschafft etzliche Tausend Gulden
rechtlich erhalten“).9 Der unerwartete Reichtum brachte dem kinderlosen Ehe-
paar Schultz neben einem Glücksgefühl vor allem eine große Furcht vor Dieb-
stahl ein. Sie lebten fortan in ständiger Angst, jemand könne es auf ihr Vermögen
abgesehen haben. Niemals ließen sie ihr Haus ohne Aufsicht. Da sie aber nicht
in der Lage waren, ihren Haushalt allein zu führen, stellten sie eine Magd ein
und versprachen dieser, sie wie ihr eigenes Kind auszustatten. In ihrer Naivi-
tät hätten sie - so Bötticher - in Anwesenheit der jungen Frau ihre Kleinode
aus den verschiedenen Verstecken gezogen und sie betrachtet, wobei sie ihr
versprochen hätten, dass dies alles einmal ihr gehören würde. Dabei hätten
sie - so moralisiert Bötticher weiter - wissen müssen, „Was [...] aber der Geiz
Teuffel an(richtet)?“.10 Die Magd jedenfalls wollte den Lauf der Dinge nicht
6 Der andere Theil des Eberhard Bötchers Chronica, S. 293r.
7 Vgl. einen Überblick zum Thema bei: Piotr Kitowski, Natalia Radecka, Normatywny
model opieki nad sierotami w XVI-wiecznych rewizjach prawa chełmińskiego. Zarys instytucji,
„Czasopismo Prawno-Historyczne“ 2012, nr 1, S. 111-125, sowie die einleitenden Bemerkungen
des Herausgebers in: Księgi małoletnich Głównego Miasta Gdańska z XV wieku („Studia i Mate-
riały do Dziejów Kancelarii w Gdańsku“, t. 3, Seria B: „Księgi Kamlarskie“, t. 2), red. Marcin
Grulkowski, Warszawa 2017, S. 9-17.
8 Edmund Kizik, Gdańskie testamenty reciproce i praktyka tworzenia inwentarzy mienia
w XVII-XVIII w., „Kwartalnik Historii Kultury Materialnej“ 2020, nr 2, S. 205-222.
9 Der andere Theil des Eberhard Bötchers Chronica, Bl. 293r-293v.
10 „Ehr [der Taufel - E.K.] lest sich nicht genügen, das ehr dieser beiden Hertzen mit dem
Geiz besessen, sondern gemeinet das Hertz d. Jungen Diennern auch ab, welche durch Vielfeltiges
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