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Dieses letzte Epitaph ist am östlichen Seitenschiff angebracht und bezeichnet die Grabstät-
te der Familie des Freiherrn von Stengel [I. 1.2.].
Übersetzung des Epitaphs:

Dem besten und höchsten Gott! Zur Erinnerung an Franz Valerian von Hauer, Mitglied
des Kirchenrates des Markgrafen v. Baden, der bei der Kirche Sankt Hippolyt in Nieder-
österreich am 10. September 1771 fromm verschieden ist, und (zur Erinnerung) an eben-
desselben Witwe Anna Franziska von Speckmann, gestorben am 8. Sept. 1777 und in die-
ser Kirche neben dem Altar der seligsten Jungfrau begraben. Maria Christina von Stengel,
Franz, Ernst, Leopold, Cäcilia von Olivares, Benedikt, ihre Kinder, haben voll Trauer
und Dankbarkeit dieses Monument gesetzt.

Dieser alte Kirchhof hat die Gestalt eines unregelmäßigen schiefen Vierecks, fast eines
Trapezes, das sich in Länge und Breite auf 60-80 m erstreckt. Er hatte also einen Flä-
cheninhalt von rd. 4.000 qm; davon waren 600 qm mit der alten Pfarrkirche überbaut.
Die älteste schriftliche Erwähnung des Seckenheimer Kirchhofs im Wormser Synodale
stammt aus dem Jahre 1496: es heißt dort: „Aus dem Kirchenvermögen muß die Kirch-
hof smauer und das Beinhaus erhalten werden.....Der Ortspfarrer hat das Recht, die auf

dem Kirchhof wachsenden Früchte zu genießen." Die ungewöhnliche Stärke dieser Mau-
ern ist einmal durch den Hochwasserschutz bedingt, zum anderen dienten die Kirchhöfe in
Kriegszeiten als Zufluchtsort für die Dorfbewohner, wo sie sich und ihre Habe verteidig-
ten. Kein Wunder, daß in Kriegszeiten von den siegreichen Feinden immer zuerst die
Kirchhofstore zerstört wurden.

Die Erwähnung eines Beinhauses 1496 zeigt, daß der Kirchhof schon damals sehr alt gewe-
sen sein muß. Ein Beinhaus war ein Gebäude auf dem Kirchhof, das der Aufbewahrung
von Gebeinen diente, die aus aufgelassenen Gräberfeldern geborgen wurden. Da die
Kirchhöfe mitten in den Dörfern um die Pfarrkirche herum lagen, war eine Erweiterung
über die gegebene Fläche hinaus nicht möglich. Dieselbe Fläche mußte also durch die Jahr-
hunderte hindurch immer wieder neu belegt werden; das machte die Beinhäuser notwen-
dig. An großen Stadtkirchen waren die Beinhäuser Kapellen oder geschlossene Gewölbe.
Auf Dorfkirchhöfen hingegen waren die Beinhäuser offene gewölbte Nischen, in denen
für alle sichtbar die Schädel-, Arm- und Beinknochen hinter Gittern aufbewahrt wurden.
Es spricht nichts dagegen, in den gewölbten Mauernischen an der Südostecke des alten
Kirchhofes dieses Beinhaus zu sehen.

Die zweite Bemerkung im Wormser Synodale, daß der Pfarrer die Früchte auf dem Kirch-
hof zu genießen habe, weist auf eine andere Eigenart der alten Kirchhöfe hin. Die einzel-
nen Grabstätten waren nicht wie heute fest abgegrenzt und gärtnerisch angelegt. Wege gab
es auf den alten Kirchhöfen nicht, im Gegenteil, auf dem Weg zur Kirche wollte man über
die Toten schreiten. Die Toten sollten so immer in das Leben der Gemeinde einbezogen
bleiben. Zwischen und auf den Grabflächen wuchs Gras und standen Obstbäume und
-sträucher. Heu und das anfallende Obst waren die Früchte des Kirchhofes, die dem Pfar-
rer zustanden. Obwohl dieser Kirchhof im Unterschied zur Pfarrkirche zum ersten Mal
erst 14% erwähnt wurde, ist er genauso alt wie die Kirche, eher noch älter.
Weitere Erwähnungen verdankt der Kirchhof den Kriegen des 17. Jahrhunderts. 1627,
1676 und 1689 wird davon berichtet, daß die feindlichen Soldaten die Tore des Kirchhofes
eingerissen hätten, so daß „ der Kirchhoff gantz ofen steht und die Schweine die Todengra-
ber uffwühlen" [229/96475 vom 10.10.1676 u. a.]. Wie lange der Kirchhof nach der letz-
ten Zerstörung offenstand, zeigt eine Notiz des Pfarrers Ignaz Löffler aus dem Jahre
1720: „Anno 1720 hat die Gemeind die Mauer am Kirchhof, die am 2. October durch<T*
Franzoßen im Jahre 1689 ruiniert worden, wiederumb auf geführet und zwei newe In

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