5. Usurpation und Legitimität:
Die Neufassung Pippins I.
II ne faut pas qu'il sente la verite de l'usurpation.
La loi a ete etablie autrefois sans raison; elle est devenue raisonnable.
Il faut la faire regarder comme authentique, eternelle, en cacher
le commencement, si on ne veut qu'elle prenne bientöt fin.1
Seit der Herrschaft Chlothars II. versiegen die Quellen über die Lex Salica im
Frankenreich. Kein merowingischer König unternahm erneut den Versuch, an
den Text des fränkischen Rechtsbuchs anzuknüpfen oder ihn in einer aktuali-
sierten Version niederschreiben zu lassen. Gesetzgebung als Aspekt des könig-
lichen Amtes verschwand fast vollständig.2 Es wäre nicht überraschend, wenn
dieser Zustand fortgedauert hätte und das lang überholte Rechtsbuch aus dem
5. Jahrhundert der Vergessenheit anheimgefallen wäre. Doch es kam anders.
Pippin, der erste König aus der Familie der Karolinger, holte das Rechtsbuch der
Franken aus der Versenkung und hauchte ihm mit der Erstellung der D-Fassung
neues Leben ein. Somit war er dafür verantwortlich, dass die Lex Salica über-
haupt der Nachwelt überliefert wurde. Denn alle Handschriften, die bis in die
Gegenwart überdauerten, sind nach Pippins Neuerlass entstanden und ver-
danken sich direkt oder indirekt seiner Initiative.
Die älteste Handschrift der Lex Salica stammt aus der Mitte des 8. Jahrhun-
derts und damit aus der Zeit Pippins des Jüngeren (Wolfenbüttel, Weißenburg
97). Der am Ende der Handschrift genannte Schreiber Agambertus konnte bis-
lang nicht identifiziert werden, dürfte jedoch in der Gegend von Autun gewirkt
haben.3 Auf den ersten Blick scheint der handschriftliche Kontext nicht die An-
nahme zu unterstützen, der Schreiber habe die Lex Salica noch für eine relevante
Quelle des Rechts gehalten. Denn Agambertus schrieb nicht nur einen häufig
verdorbenen Text ab, er lässt auch unmittelbar auf das fränkische Rechtsbuch
1 Pascal, Pensees, S. 94.
2 Dieser Befund stützt sich primär auf die fehlende Überlieferung von Texten. Indizien für Dekrete
und Erlasse aus dieser Zeit sammelte Woll, Untersuchungen, S. 195-228. Sicher belegt sind die
drei Erlasse Childerichs II., eines der aktivsten Könige am Ende des 7. Jahrhunderts (siehe unten
Anm. 13); vgl. Passio Leudegarii 7, S. 289. Die meisten Quellen beziehen sich aber auf kirchliche
Anliegen, ein Bezug zur Rechtstradition der Lex Salica ist in keinem Fall gegeben.
3 Vgl. Buchner, Kleine Untersuchungen, S. 66-71; Eckhardt, Zur Entstehungszeit, S. 10 (Brief B.
Bischoffs); Mordek, Bibliotheca, S. 958-960. Nehlsen, Aktualität, S. 465, macht aus Agambertus
einen Mönch. Für den Moselraum plädierte Schmidt-Wiegand, Sali, S. 524, aufgrund der Glossen.
Die Neufassung Pippins I.
II ne faut pas qu'il sente la verite de l'usurpation.
La loi a ete etablie autrefois sans raison; elle est devenue raisonnable.
Il faut la faire regarder comme authentique, eternelle, en cacher
le commencement, si on ne veut qu'elle prenne bientöt fin.1
Seit der Herrschaft Chlothars II. versiegen die Quellen über die Lex Salica im
Frankenreich. Kein merowingischer König unternahm erneut den Versuch, an
den Text des fränkischen Rechtsbuchs anzuknüpfen oder ihn in einer aktuali-
sierten Version niederschreiben zu lassen. Gesetzgebung als Aspekt des könig-
lichen Amtes verschwand fast vollständig.2 Es wäre nicht überraschend, wenn
dieser Zustand fortgedauert hätte und das lang überholte Rechtsbuch aus dem
5. Jahrhundert der Vergessenheit anheimgefallen wäre. Doch es kam anders.
Pippin, der erste König aus der Familie der Karolinger, holte das Rechtsbuch der
Franken aus der Versenkung und hauchte ihm mit der Erstellung der D-Fassung
neues Leben ein. Somit war er dafür verantwortlich, dass die Lex Salica über-
haupt der Nachwelt überliefert wurde. Denn alle Handschriften, die bis in die
Gegenwart überdauerten, sind nach Pippins Neuerlass entstanden und ver-
danken sich direkt oder indirekt seiner Initiative.
Die älteste Handschrift der Lex Salica stammt aus der Mitte des 8. Jahrhun-
derts und damit aus der Zeit Pippins des Jüngeren (Wolfenbüttel, Weißenburg
97). Der am Ende der Handschrift genannte Schreiber Agambertus konnte bis-
lang nicht identifiziert werden, dürfte jedoch in der Gegend von Autun gewirkt
haben.3 Auf den ersten Blick scheint der handschriftliche Kontext nicht die An-
nahme zu unterstützen, der Schreiber habe die Lex Salica noch für eine relevante
Quelle des Rechts gehalten. Denn Agambertus schrieb nicht nur einen häufig
verdorbenen Text ab, er lässt auch unmittelbar auf das fränkische Rechtsbuch
1 Pascal, Pensees, S. 94.
2 Dieser Befund stützt sich primär auf die fehlende Überlieferung von Texten. Indizien für Dekrete
und Erlasse aus dieser Zeit sammelte Woll, Untersuchungen, S. 195-228. Sicher belegt sind die
drei Erlasse Childerichs II., eines der aktivsten Könige am Ende des 7. Jahrhunderts (siehe unten
Anm. 13); vgl. Passio Leudegarii 7, S. 289. Die meisten Quellen beziehen sich aber auf kirchliche
Anliegen, ein Bezug zur Rechtstradition der Lex Salica ist in keinem Fall gegeben.
3 Vgl. Buchner, Kleine Untersuchungen, S. 66-71; Eckhardt, Zur Entstehungszeit, S. 10 (Brief B.
Bischoffs); Mordek, Bibliotheca, S. 958-960. Nehlsen, Aktualität, S. 465, macht aus Agambertus
einen Mönch. Für den Moselraum plädierte Schmidt-Wiegand, Sali, S. 524, aufgrund der Glossen.