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8. Wissen über das Recht der Franken
im 9. Jahrhundert

Law is local knowledge, not placeless principle,
and it is constructive of social life, not reflective,
or anyway not just reflective of it.1

Karl der Große gab den Anstoß für die breite Überlieferung des fränkischen
Rechtsbuchs im karolingischen Frankenreich. Sind vor 800 nur zwei Hand-
schriften erhalten, kennen wir 54 Kopien der Lex Salica aus dem 9. Jahrhundert.2
Damit übertrifft sie alle anderen weltlichen Rechtsbücher des Frankenreichs und
ist mit der Überlieferungsdichte von Kirchenrechtssammlungen vergleichbar.
Die erste Hälfte des Jahrhunderts sticht noch einmal statistisch besonders hervor:
aus den Jahren 800 bis 825 stammen 19 Textzeugen, aus den Jahren 825-850 nur
einer weniger (18). In der zweiten Jahrhunderthälfte nimmt die Anzahl mit 17 um
die Hälfte ab. Für das 10. Jahrhundert insgesamt sind nur mehr 16 Handschriften
belegt, was wiederum eine Halbierung bedeutet. Dieser Befund darf jedoch nicht
falsch ausgelegt werden. Es ist weder so, dass es vor 800 keine Kenntnis der Lex
Salica gegeben hätte, da die disparate Textgestalt der merowingischen Fassungen
eine einstmals breite Überlieferung erahnen lässt. Noch ist das Interesse der Lex
Salica bereits im späteren 9. Jahrhundert drastisch zurückgegangen, muss man
doch bedenken, dass das Vorhandensein von Handschriften seinerseits die
Notwendigkeit für neue Kopien vermindert hat. Warum sollten sich Bibliothe-
ken weitere Exemplare anschaffen, wenn das Rechtsbuch doch schon fast überall
vorhanden war?
Die Statistik darf aber auch in einer anderen Weise nicht in die Irre führen.
Obwohl der Impuls Karls des Großen dadurch außer Zweifel steht, war der
Einfluss des Herrschers auf die Gestalt der Rechtshandschriften nur gering. Dies
trifft für Karl den Großen und auch für seine Nachfolger Ludwig den Frommen
und Karl den Kahlen zu.3 Wir besitzen nicht nur keine Exemplare der Lex Salica,
die den Karolingerkönigen eindeutig zugeordnet werden können. Auch die

1 Geertz, Local knowledge, S. 218.

2 Bei den Datierungen von Handschriften richte ich mich nach Bischoff, Katalog I—III. Zu den
Grenzen des Katalogs: Hoffmann, Katalog, mit weiterer Literatur. Zur Größenordnung verlo-
rener Handschriften vgl. Buringh, Manuscript Production.

3 Zur These eines Leges-Skriptoriums am Hof Ludwigs des Frommen vgl. Ubl, Leges-Skriptori-
um.
 
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