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Ubl, Karl
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 9): Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs: die "Lex Salica" im Frankenreich — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73537#0154
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Die Herstellung des Textes

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ausführlicher und dem Inhalt der Titel besser angepasst. Die Schädigung von
Obstbäumen, die in C unter der Rubrik „Vom Vogeldiebstahl" zu finden ist, ist in
der D-Fassung in einem eigenen Titel zusammengefasst und mit vergleichbaren
Regelungen aus anderen Titeln vereint.90 Die beiden eherechtlichen Titel sind
ebenfalls nebeneinander zu finden.91 Der „jedem Ordnungssinn spottende Titel
Defurtis diversis"92 wird auf neun neue Titel aufgeteilt. Besonders beeindruckend
ist, wie der Redaktor Material aus drei verschiedenen Stellen des alten Rechts-
buchs zu einer Reihe von sieben Titeln zur Tötung vereinigt.93 Im Vergleich zur
merowingischen Fassung, in der Rubrik und Inhalt des öfteren nicht zueinander
passen, ist also durchaus das Ziel erreicht worden, eine bessere Auffindbarkeit
durch das Titelverzeichnis zu gewährleisten.
Was der Redaktor jedoch durch seine Neuordnung verbesserte, machte er
durch seine Textbehandlung zunichte. Der unerbittliche Krusch hat in dieser
Hinsicht den Nagel auf den Kopf getroffen: „Der Unverstand von A [d. h. D] ist
auf die wunderlichsten Gesetzesbestimmungen gekommen."94 Wer sich für
Fundstücke aus dem Kuriositätenkabinett des Philologen interessiert, kann eine
Reihe von Belegen bei Krusch nachschlagen. Zeilensprünge, ausgefallene Wörter
und Verschreibungen haben den Text auf eine Weise verunstaltet, dass bereits
das verlorene Original der D-Fassung an so mancher Stelle unverständlich ge-
wesen sein muss. Es genügt ein Beispiel zu erwähnen, welches der philologi-
schen Wachsamkeit von Krusch entgangen ist. Dem Titel 49, 3 der A bzw. C-
Fassung ist die leicht verständliche Vorschrift zu entnehmen, dass Personen, die
der Richter zum Ablegen eines Zeugnisses verpflichtet hat, das Zeugnis aber
nicht unter Schwur ablegen wollen, zu einer Geldbuße von 15 solidi verurteilt
werden.95 Nach Ausfall des Wortes noluerint straft die D-Fassung absurderweise
diejenigen, die „das beschwört haben, was sie gesehen und gehört haben".96 Der
Text besagt also genau das Gegenteil der ursprünglichen Fassung und sträubt
sich jeder wohlmeinenden Interpretation. Verschreibungen vonfortasse zufurasse
und von noverit zu noluerit ergeben ähnlich unsinnige Rechtsvorschriften.97 Der
fränkische Rechtsbegriff „nexthe ganthichio" wurde zu instigante ego verball-
hornt.98
Es muss freilich offenbleiben, ob die Vorlage des Redaktors bereits so kor-
rumpiert war, dass er keine Möglichkeit mehr hatte, den originalen Wortlaut zu

90 Lex Salica (D) 8, S. 40-42.
91 Lex Salica (D) 14-15, S. 52-56.
92 Krusch, Umsturz, S. 569.
93 Lex Salica (D) 69-75, S. 114-124.
94 Krusch, Umsturz, S. 560.
95 Lex Salica (A)49, 3, S. 189.
96 Si vero presentis fuerint in testimonio vocati, iuraverint ea, que viderunt et audierunt, testimonium
preberent, ferbanniti fuerint, solidus xv culpabilis iudicetur. Lex Salica (D) 85, 3, S. 144.
97 Lex Salica (D) 82, S. 140 (furasse); 59, S. 96 (noluerit). Vgl. Krusch, Umsturz, S. 550-560.
98 Lex Salica (D) 86, 1-2, S. 144-146. Vgl. Krusch, Umsturz, S. 555. Zur Bedeutung vgl. Geffcken, Lex
Salica, S. 195: „Der juristische Inhalt besteht in dem vom Gerichtsvorsitzenden auszusprechen-
den und nach Maßgabe des salischen Rechts wirkenden Banne über das Vermögen des
Schuldners."
 
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