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Wissen über das Recht der Franken im 9. Jahrhundert

rien der Karolinger vereint. Die Arbeit von Lupus ging aber über das Sammeln
hinaus: Er erstellte für die meisten Rechtsbücher eine nach systematischen Kri-
terien geordnete Fassung. Für die Lex Salica gilt seine Arbeit als besonders ge-
lungen. Auch wenn seine Leistung nicht den Anforderungen moderner Juristerei
genügt, wurde ihm dennoch ein „guter Überblick über die Regelungsgegen-
stände"13 und ein „gutes Erfassen inhaltlicher Zusammenhänge" bescheinigt.
Eberhard nahm dieses Handbuch vielleicht aus Anlass der Hochzeit mit der
Kaisertochter Gisela im Jahr 836 entgegen. Bei seinem Ableben vermachte er das
Exemplar seinem Sohn Unruoch, der ihm als Markgraf von Friaul nachfolgte.14
Nach Italien weisen auch die beiden erhaltenen Abschriften der Sammlung.
Dieser Bezug zu Italien ist aber nicht allein ausschlaggebend. Eberhard hatte
auch Besitzungen im Nordosten Galliens und gründete dort gemeinsam mit
seiner Frau die Abtei Cysoing.
Nur wenige Kilometer von Cysoing entfernt liegt der Ort Templeuve, wo in
der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts der Laienadvokat Autramnus eine Lex
Sa/ica-Handschrift abschreiben ließ.15 Autramnus war vermutlich der Rechts-
beistand der unweit gelegenen Abtei Marchiennes, zu der die Ortschaft Temp-
leuve zählte. Er ließ die beiden fränkischen Rechtsbücher kopieren sowie die Lex
Alamannorum. Die ausgewählten Kapitularien erscheinen als Anhang zur Lex
Salica und werden auch eigens so tituliert.16 Für einen Amtsträger, der mitten im
Rechtsgebiet der Lex Salica residierte, war dieser Zusammenhang offenbar
zwingend. Besonders auffällig ist in diesem Anhang das selten überlieferte
,Weistum' zur Lex Salica aus den Jahren um 820.17
Der dritte Fall führt uns nach Burgund, wo der Magnat und Graf von Mäcon
Eckhard eine Kopie des fränkischen Rechtsbuchs an seinen gleichnamigen Ver-
wandten testamentarisch vermachte.18 Wie Eberhard zählte Eckhard zur frän-
kischen Reichsaristokratie mit vielfachen Verbindungen zum Hof der Karolin-
ger.
Die Testamente von Eberhard und Eckhard sind nur deshalb erhalten, weil
sie umfangreiche Schenkungen von Land an die Klöster Cysoing und Saint-
Benoit-sur-Loire enthielten. Diese Tatsache verweist auf die enge Verbindung der
Laienaristokratie zu den kirchlichen Einrichtungen. Bei Eberhard ist darüber
hinaus nachgewiesen, dass er seine Rechtshandschrift durch Lupus in dem
großen ostfränkischen Kloster Fulda herstellen ließ. Für Autramnus ist ähnliches
wahrscheinlich: Die Handschrift wurde in der Kirche St. Stephan in Templeuve
geschrieben. Durch sein Amt als klösterlicher Rechtsbeistand von Marchiennes

13 Siems, Textbearbeitung, S. 60 f. Vgl. auch Münsch, Liber legurn, S. 123-137.

14 Cartulaire de l'abbaye de Cysoing, S. 3.

15 Paris, lat. 4632 (K39). Vgl. hierzu Brunterc'h, Un monde, S. 415; West, Advocate, S. 195-198.

16 Für das Capitulare legibus additum von 803 ist dies nicht außergewöhnlich (siehe oben S. 184); aber
auch die Capitula legibus addenda von 818/819 beginnen mit Hoc est lex salica que legibus addenda
sunt(fol. 32v).

17 Siehe oben S. 210.

18 Recueil des cliartes de l'abbaye de Saint-Benoit-sur-Loire I, S. 66. Zur Verwandtschaft mit den Ka-
rolingern vgl. Levillain, Les Nibelungen, S. 352; Kasten, Verfügungen, S. 285-304; Settipani, La
preliistoire, S. 349f.
 
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