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Ubl, Karl
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 9): Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs: die "Lex Salica" im Frankenreich — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73537#0255
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Schluss: Für eine andere Rechtsgeschichte

politische Ordnung selbst konstitutiv waren. Dies alles und vieles mehr kann
durch den Begriff der Evolution des Rechts nicht erfasst werden.
Die methodischen Folgerungen dieser Untersuchung gehen aber weiter als
die Kritik an einer Evolutionsgeschichte des Rechts. Auch die Vorstellungen, die
dem Konzept einer Rechtskultur zugrunde liegen, bedürfen einer historischen
Relativierung. In dieser Theorie ist es üblich, Recht als „ordered relations" zu
charakterisieren und eine Kongruenz von rechtlicher Rationalität und kulturel-
len Formen anzunehmen, ein „fit of legal sensibility and cultural style"38. Ob
diese Konzepte einer an der Gegenwart interessierten Anthropologie auf die
Vergangenheit übertragbar sind, erscheint mir zweifelhaft. Mein Buch wollte
nämlich deutlich machen, dass wir uns im Frankenreich in einer Welt bewegen,
in der es keinen verbindlichen Konsens über „legal sensibilites" und „cultural
style" gegeben hat. Die Geschichte der Lex Salica ist vielmehr der Beweis, dass
schriftliches Recht eine enorme Widerständigkeit annehmen konnte und dass
durch die Konfrontation mit unzeitgemäßen Normen immer wieder neue
Sinnstiftungen möglich wurden. Kodifikation leistete mehr als das, was unter
den Stichworten „Aktualität und Effektivität" erfasst werden kann: Sie hatte
gemeinschaftsbildende Funktionen, vermittelte der Gemeinschaft eine symbo-
lische Wertordnung und sie konnte als mystisches Fundament für neue Ge-
setzgebung genutzt werden.

38 Rosen, Law as Culture, S. 198 f.
 
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