Beiträge zu den Werken Michelangelo’s.
Von Friedrich Portheim *).
Die zweite Auflage von Anton Springer’s Raphael und Michelangelo,
welche ohne Engherzigkeit besonders in dem Abschnitte über die Jugendperiode
Michelangelo’s auch die Ergebnisse fremder Untersuchung angenommen hat,
*) Den nachstehenden Aufsatz hatte mein verstorbener College Dr. Fried-
rich von Portheim noch vor seiner schweren Erkrankung vollendet. Diese
Zeilen, die seine letzte Arbeit begleiten, mögen das Andenken eines zu früh ver-
blichenen Mitarbeiters im Kreise der Fachgenossen sichern. Friedrich von Portheim
wurde im Jahre 1859 in Chodan bei Karlsbad geboren, wo er auch seine erste
Kindheit verlebte. Das Gymnasium absolvirte er in Prag und war darauf während
zwei Semestern bei der juristischen Facultät der dortigen Universität immatriculirt.
Die Rechtswissenschaft befriedigte ihn aber in keiner Weise, nach längerem
Schwanken entschloss er sich zum Studium der Kunstwissenschaft. Wenn er damals
gelegentlich Zweifel über seine Begabung zum Kunsthistoriker äusserte, so geschah
es in jugendlicher Unterschätzung der eigenen Kraft. Portheim brachte im Gegen-
theil eine ungewöhnliche Befähigung für den gewählten Beruf mit, die einmal in
seiner Gabe, historische Verhältnisse allseitig erfassen und rasch gruppiren zu
können, mehr aber noch in seinem sichern, wohl schon früh geübten Blick für das
Charakteristische im Kunstwerk und in seinem trefflichen Gedächtniss für Formen
zu erkennen war. Was eine gute Schulung aus diesen natürlichen Anlagen machen
konnte, das erreichte Portheim auf der Wiener Universität, die er im Herbst 1881
bezog. Für den lernenden Kunsthistoriker waren damals die Lehrverhältnisse in
Wien ausserordentlich günstig: Thausing, der noch auf der Höhe seines Schaffens
stand, war unablässig bemüht, seine näheren Schüler, zu denen auch Portheim
zählte, mit seiner kritischen Untersuchungsart bekannt zu machen, daneben boten
das von Benndorf geleitete archäologische Seminar und das von Sickel dirigirte
Institut für österreichische Geschichtsforschung Gelegenheit, die bei verwandten
Disciplinen bewährte Methode unter denkbar bester Führung kennen zu lernen.
Unter seinen Lehrern verehrte Portheim äusser den genannten besonders Eitelberger,
der auch ihm mit väterlicher Güte zugethan war. Nach seiner Promotion im
Sommer 1885 wandte sich Portheim nach Berlin, wo er Anfangs als Volontär, dann
bald als Directorial-Assistent am Kgl. Kupferstichcabinet angestellt wurde. Gerade für
diese vielseitigste Abtheilung der Kgl. Museen war er durch seine reichen Kenntnisse
und gründliche Schulung besonders geeignet. In kürzester Zeit gelang es ihm, sich
Von Friedrich Portheim *).
Die zweite Auflage von Anton Springer’s Raphael und Michelangelo,
welche ohne Engherzigkeit besonders in dem Abschnitte über die Jugendperiode
Michelangelo’s auch die Ergebnisse fremder Untersuchung angenommen hat,
*) Den nachstehenden Aufsatz hatte mein verstorbener College Dr. Fried-
rich von Portheim noch vor seiner schweren Erkrankung vollendet. Diese
Zeilen, die seine letzte Arbeit begleiten, mögen das Andenken eines zu früh ver-
blichenen Mitarbeiters im Kreise der Fachgenossen sichern. Friedrich von Portheim
wurde im Jahre 1859 in Chodan bei Karlsbad geboren, wo er auch seine erste
Kindheit verlebte. Das Gymnasium absolvirte er in Prag und war darauf während
zwei Semestern bei der juristischen Facultät der dortigen Universität immatriculirt.
Die Rechtswissenschaft befriedigte ihn aber in keiner Weise, nach längerem
Schwanken entschloss er sich zum Studium der Kunstwissenschaft. Wenn er damals
gelegentlich Zweifel über seine Begabung zum Kunsthistoriker äusserte, so geschah
es in jugendlicher Unterschätzung der eigenen Kraft. Portheim brachte im Gegen-
theil eine ungewöhnliche Befähigung für den gewählten Beruf mit, die einmal in
seiner Gabe, historische Verhältnisse allseitig erfassen und rasch gruppiren zu
können, mehr aber noch in seinem sichern, wohl schon früh geübten Blick für das
Charakteristische im Kunstwerk und in seinem trefflichen Gedächtniss für Formen
zu erkennen war. Was eine gute Schulung aus diesen natürlichen Anlagen machen
konnte, das erreichte Portheim auf der Wiener Universität, die er im Herbst 1881
bezog. Für den lernenden Kunsthistoriker waren damals die Lehrverhältnisse in
Wien ausserordentlich günstig: Thausing, der noch auf der Höhe seines Schaffens
stand, war unablässig bemüht, seine näheren Schüler, zu denen auch Portheim
zählte, mit seiner kritischen Untersuchungsart bekannt zu machen, daneben boten
das von Benndorf geleitete archäologische Seminar und das von Sickel dirigirte
Institut für österreichische Geschichtsforschung Gelegenheit, die bei verwandten
Disciplinen bewährte Methode unter denkbar bester Führung kennen zu lernen.
Unter seinen Lehrern verehrte Portheim äusser den genannten besonders Eitelberger,
der auch ihm mit väterlicher Güte zugethan war. Nach seiner Promotion im
Sommer 1885 wandte sich Portheim nach Berlin, wo er Anfangs als Volontär, dann
bald als Directorial-Assistent am Kgl. Kupferstichcabinet angestellt wurde. Gerade für
diese vielseitigste Abtheilung der Kgl. Museen war er durch seine reichen Kenntnisse
und gründliche Schulung besonders geeignet. In kürzester Zeit gelang es ihm, sich