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HALA STULECIA WE WROCŁAWIU DZIEŁO МАХА BERGA

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Kuppel auf 67 m fest. Nach dem BeschluB des Stadtrats, der den Bau der Halle bestàtigte, fuhrte Berg im Juli 1911 den endgulti-
gen Entwurf aus. Die Zeichnungen dieser Version, die sich ebenfalls in Erkner befinden, bildeten die Grundlage fur das zur
Ausfuhrung gelangte Projekt, das Berg im August 1911 abschloB.

Bereits im Mai 1911 bcgann man mit den Vorbereitungen zum Bau der Halle. Ab dem 19. Juli erfolgte die Untersuchung
des Baugrunds, auBerdem wurde die pràzise Organisation der Baustelle geplant, die einer moderne Fabrik vorgefertigtcr Bauteile
ahnelte. Im August wurden unter den 19 bei der Ausschreibung angetretenen Firmen die Firma Dyckerhoff & Widmann aus
Dresden ais Hauptausfiihrende der Bauarbeiten und die Firma Lolat AG aus Breslau fur die Arbeiten am Umgang der Halle
ausgewâhlt. Die Organisation des Baus orientierte sich ebenso wie die Idee zur Konstruktion des Baukrans „an der Beobachtung
amerikanischer Bauvorhaben", wie Willy Gehler, der Direktor der Firma Dyckerhoff & Widmann, 1914 schrieb. Alle Geràte
wurden durch elektrischen Strom und durch Dampfmaschinen betrieben. Im Dezember desselben Jahres war der Rohbau der Halle
bereits vollendet und es erfolgte ihre feierliche Ubergabe an die Stadt durch die Firma Dyckerhoff & Widmann.

Max Berg, der sein Projekt in mehreren Zeitungsartikeln in Verbindung mit der Jahrhundertausstellung beschrieb, verwies
vor allem auf die Funktionalitat der Hallenkonstruktion. Nach den ursprunglichen Vorgaben sollte der Bau zwei wesentlichen
Funktionen dienen: ais Ausstellungs- und ais Versammlungshalle. Zunachst sollte im Umgang die Hauptschau der Jahrhundertaus-
stellung stattfmden - die „Historische Ausstellung". Der Architekt wollte dieses Problem móglichst rationell und sparsam lósen.
Die Gestalt des Baukôrpers ergab sich aus einer Planungsweise „von Innen" und „fur den Innenraum" Das Interesse Bergs an einer
rationellen Raumgestaltung zeigt Analogien zur Architckturtheorie des Petrus Berlage, der ebenfalls „Einfachheit" und „Sachlich-
keit" sowie eine Schônheit, die nicht mit Hilfe des Dekors erreicht wird, sondern im „Verhàltnis des Raumes zur Masse" liegt,
propagierte.

Besonderen Wert legte Berg auf eine gute Akustik der Halle, die auch ais Konzertsaal dienen sollte; zu diesem Zweck
erhielt sie die damais grôBte Orgel der Welt. Der Architekt war der Ansicht, daB zu diesem Aufgabenbereich bislang nur wenig
bekannt sei und sich die Baumeister in der Regel an ihre Intuition hielten. Da der riesige Raum nicht nur einem Zweck dienen
sollte, betonte Berg, daB unabdingbar ein Mittelweg gefunden werden miisse, der die Funktionen ais Theater- und Opernraum und
Versammlungsort in Einklang bringe. Bergs Interesse fur akustische Problème war in seiner musikalischen Empfindsamkeit begrundet.
Mehrfach berief er sich auf die Musik, wenn er schrieb, daB die Verbindung der Proportionslehre mit der Tàtigkeit des Kunstlers,
wie sie mit gutem Erfolg in der zeitgenossischen Musik geschehe, auch dic Aufgabe der Baukunst sei. Seine Leidenschaft fur die
Musik und sein Wissen in diesem Bereich speiste sich sicherlich aus den Interessen seiner Frau, die Pianistin war, und aus seinen
Kontakten mit der Musikszene in Berlin und Wien. Seine Terminologie aus dem Bereich der Musik, die er auf den Kontext von
Kunst und Architektur ubertrag, war beeinfluBt von seinen Kontakten mit den Munchner Malerkreisen um Wassily Kandinsky und
von dessen Traktat Ober das Geistige in der Kunst. Die Verbindung der Jahrhunderthalle mit der Musik ergab sich auch aus der
Tradition des Wagnerschen Gesamtkunstwerks und dessen Rezeption in der Architektur um die Jahrhundertwende. Im von Rudolf
Steiner in Dornach entworfenen Goetheanum bleibt die Welt der Tonę unhórbar fur das „sinnliche" Ohr, da sie ais „hóhere
Wirklichkeit" gilt. Die Musik und ihre Harmonielehre inspirierten viele moderne Kiinstler zum Studium der Zahlenproportionen
und zur Schaffung einer Architektur, dereń gestalterische Form Analogien mit der Harmonie der Tône aufwies. Impulse gingen
auch von den Komponisten selbst aus. Dazu kann man den Entwurf eines „Multimedialen Sakralraums" von Alexander Skriabin
aus dem Jahr 1914 zàhlen. Befruchtet von der platonischen Idee der Zahlen und aufgewachsen in einer musikalischen Tradition,
erarbeitete Le Corbusier sein eigenes MaBsystem, das er „Modulor" nannte. Ein derartiges MaBsystem wandte auch Max Berg
intuitiv beim Entwurf seiner Jahrhunderthalle an. Der Innenraum regt durch die erleuchtete Kuppel zur Kontemplation an, und die
charakteristische, klassische Harmonie der Halle hat vor allem im Inneren auch einen romantischen Kontext.

Àhnlich wie Berlage oder spàter Adolf Loos lehnte Berg das Ornament ab. In der Jahrhunderthalle zeigte er den Beton in
seiner Struktur, ohne ihn mit Putz zu verbràmen oder die charakteristischen Spuren der Verschalungen zu entfernen. Die radikale
Abkehr von der Dekoration, das Zeigen der „Wahrheit des Materials" griindete in der unter den modernen Architekten popularen
„Bekleidungstheorie", dereń Autor Gottfried Semper festlegte, daB „die Form abhàngig ist von dem Stoff, in dem sie erscheinf.
Wie andere Architekten der friihen Moderne entwickelte auch Max Berg in gewisser Weise einen Kult des Materials. Wo andere
sich auf die Théorie beschrankten, setzte Berg diesen Grundsatz in die Praxis um. Paradoxerweise verkôrpert die Jahrhunderthalle
die moderne Àsthetik in Reinform, gleichzeitig aber hat sie eine metaphysische und symbolische Bedeutung im platonischen Sinn.
In Bergs Schaffen sind Rationalismus und moderne Ideen sehr hâufig verflochten mit der Tradition.

In seinem Werk berief sich Max Berg auf die Antike, indem er sich das Panthéon zum Vorbild nahm. Die Kuppelstruktur
der Halle hat auch Àhnlichkciten mit den Zentralbauten der byzantinischen Kunst, vor allem mit der Hagia Sofia in Konstanti-
nopel, mit deren Kuppeldurchmesser sie konkurriert. Analogien sind zudem erkennbar zur Peterskirche in Rom, vor allem zu den
Projekten Bramantes und Michelangelos. Die Gestalt der Halle erinnert in manchen Elementen an den GrundriB der Kirche S.
Maria délia Consolazione in Todi bzw. an den GrundriB von San Lorenzo in Mailand. Dieser Riickgriff auf die klassische Tradition
widersprach nicht der Suche nach einem zeitgenossischen Stil, der den Historismus des 19. Jahrhunderts und den ephemeren
Jugcndstil ablosen sollte und gleichzeitig die im Entstehen begriffene Avantgarde vorwegnahm. Berg kopierte die Vorbilder der
Antike oder anderer Epochen nicht, sondern suchte vielmehr nach Inspirationen fur die Konstruktion des Baus in Anlehnung an
die Grundsâtze der Proportionalitât und der Art der Gestaltung. Es war dies die Suche nach Strukturen, die die besten Ideen aus
verschiedenen Epochen miteinander verbinden sollten, der utopische Wunsch, eine absolute Form zu schaffen. Bei der Gestaltung
des AuBenbaus, in seinem stu fen form i gen Aufbau, lassen sich auch Reminiszenzen an die àgyptische und mexikanische Architek-
tur oder an den aus dem 9. Jahrhundert stammenden Turm in der schiitischen Pilgerstadt Samaria erkennen. Die Silhouette der
Halle laBt an Darstellungen des Turmbaus von Babel denken. Im NachlaB Max Bergs im Deutschen Muséum in Miinchen befindel
sich unter anderem eine bemerkenswertc Zeichnung, die die Proportionen der Halle mit Hilfe von ineinander eingeschriebenen
gleichschenkligen Dreiecken illustriert. Diese Zeichnung beweist, daB Berg beim Entwerfen der Halle ein bestimmtes Modni der
MaBc wic auch der Geometrie verwandte. Der Versueh einer mathematischen Berechnung der wichtigsten Zahlenwerte erweist.
 
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