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Rieser, Ferdinand
"Des Knaben Wunderhorn" und seine Quellen: ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Volksliedes und der Romantik — Dortmund: Fr. Wilh. Ruhfus, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.61345#0037
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J. Görres Werken (Nationalliteratur 146 I.) vertreten noch einen
ähnlichen Standpunkt, namentlich durch die schroffe Ablehnung
der gleichzeitigen Kritiker des Wunderhorns.
Für unsre Arbeit kommt diese Auffassung nicht in Betracht.
Denn unsre Untersuchung gilt nicht der Reinigung des alten deutschen
Liedes, der wahren Gestalt des Volksliedes; die Sammlungen von
Uhland, Erk, Liliencron, Böhme und viele andre entheben uns dieser
Aufgabe. Unsere Gegenüberstellung der Gedichte, wie die Quellen
sie uns bieten, und deren Bearbeitung durch die Herausgeber hat
nicht die Förderung der Geschichte des Volkslieds im Auge,
sondern will daraus neues Material gewinnen zur Beurteilung
ihrer eigenen geistigen Auffassung und Dichtung. Die Zahl und
Art der Werke Arnim’s und Brentano’s wird durch unsere Er-
gebnisse vermehrt und in neues Licht gesetzt. Über die Kluft,
welche die wilden und formlosen nachempfundenen Jugenddich-
tungen von ihren späteren Werken trennt, wird hier die Brücke
geschlagen. Das Volkslied und seine Erforschung werden erst in
zweiter Linie aus unseren Untersuchungen Nutzen ziehen können,
wenn wir es nach Zurückweisung fremder Eindringlinge und Be-
seitigung fremdartiger Ausschmückung in seiner einfachen und
natürlichen Gestalt zeigen; nur in dieser 'kann es uns wirklich
ergreifen und nur diese darf die Grundlage der wissenschaftlichen
Betrachtung bilden.
Nachträglich haben Arnim und Brentano ihr Verfahren bei
der Herausgabe mit ihrem eigenen Wesen und der Zeitlage zu
begründen und entschuldigen gesucht und zugleich versprochen,
die Fehler dadurch wieder gut zu machen, daß sie einen neuen,
vierten Band veranstalten wollten, der in einem besonderen An-
hänge eine Geschichte des Volksliedes und eine Kritik der ein-
zelnen Stücke enthalten sollte; sie hofften für dieses Unter-
nehmen auf die Unterstützung durch die Brüder Grimm in
Cassel. In einer Anzeige, die im Intelligenzblatt der All-
gemeinen Literatur - Zeitung Nr. 18 vom 8. März 1809 er-
schien und von Grisebach in seiner neuen Ausgabe des
Wunderhorns zuerst wieder bekannt gemacht wurde, erklärt
Arnim: „Es war durchaus unmöglich, einige Liebe, das ver-
schiedenste lebendige Interesse und das blos gelehrte zugleich
zu befriedigen.“
 
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