tigste Voraussetzung dazu erwuchs ihm aus einer inzwischen ab-
solut sicheren Beherrschung der Perspektive und der Anatomie.
Der Rückblick auf die Galeriefresken der Villa Albani macht die
durchschrittene Wegstrecke auch unter diesem Gesichtspunkt
deutlich. Das Deckenbild wurde Ende des Jahres 1776 vollendet,
wie sich aus dem Bericht des österreichischen Gesandten P. P.
Giusti16 ergibt, der der Ansicht war, daß sich Mengs mit diesem
Werk selbst übertroffen habe (s. Bd. 1, Kat. Nr. 299, Dok. 1). Vor
allem dieser Plafond stellte ein umfangreiches Repertoire an
Kompositionen, Figuren und Motiven zur Verfügung, das für die
weitere Ausmalung der königlichen Residenzen durch Bayeu,
Maella und ihre Nachfolger vielfach nutzbar war, wozu mögli-
cherweise auch das umfangreiche Zeichnungsmaterial beitrug,
das zu einem nicht unerheblichen Teil in der Palast-Werkstatt
verblieben zu sein scheint.17 Die Einheitlichkeit der Madrider
Plafondmalerei des späteren 18. Jahrhunderts, die nicht nur für
den Palacio Real, sondern auch für die anderen Residenzen gilt,
beruht auf den Normen, die Giaquinto, Tiepolo und Mengs mit
ihren Werken gesetzt hatten. Dieses Musterrepertoire war so
vielfältig, daß es für jeden Bedarf eine Lösung anbot. Dennoch
orientierten sich Maella (Abb. IV-12) und Bayeu (Abb. VI-5) in er-
ster Linie an der Mischung der Ingredienzien, zu der Mengs im
Plafond der Apotheose des Trajan gefunden hatte. Während der
gesamten Regierungszeit Karls III. blieb die malerische Ausstat-
tung der königlichen Schlösser in Form und Inhalt den traditio-
nellen Mustern der barocken Bildsprache verhaftet.18 Dies ist
letztlich auf das ikonologische Konzept des Padre Sarmiento zu-
rückzuführen, das trotz der Kritik von Mengs (s. S. 232) im Gro-
ßen und Ganzen verbindlich geblieben war. Die späte Blüte der
profanen Deckenmalerei in Madrid hing auch damit zusammen,
daß hier noch uneingeschränkt die thematischen und ästheti-
schen Vorgaben galten, die der barocken Deckenmalerei ihre
Funktion und ihre Attraktivität verliehen hatten.19 Es gibt kei-
nen anderen nach Größe und Bedeutung vergleichbaren Gebäu-
dekomplex in Europa, dessen malerische Dekoration noch so
konsequent den traditionellen Mustern folgte. Dies wird be-
sonders im Vergleich mit dem Palazzo Reale von Caserta deut-
lich, der ab 1777 eine im Inhalt und Anspruch einfachere, aber
auch moderner wirkende Deckenausmalung erhielt.20
Die Arbeit an den beiden Deckengemälden und an dem Pla-
fond des Teatro domestico in Aranjuez ließ Mengs wenig Zeit
für die Ausführung anderer Gemälde. Auf jeden Fall entstand
während dieser Zeit das nur in Kopien überlieferte Gemälde des
»Amor Virtutis«, dessen Auftraggeber vermutlich der Prinz von
Asturien war (Abb. VI-6). Der Hinweis auf die Fertigstellung des
Gemäldes findet sich in dem Bericht, den der österreichische Ge-
sandte am 30.12. 1776 schreibt und in dem er außer dem Pla-
fond des »Salon ä diner« auch das »tableau de la Vertue« lobt
(s. Bd. 1, S. 381). Dank der seit einigen Jahren bekannten qua-
litätvollen Kopie von Felipe Lopez (Bd.2, NN 115) kann man
sich eine Vorstellung von der Erscheinung des Gemäldes ma-
chen, das sowohl in seiner Thematik wie in seiner formalen Ge-
staltung als ein Ableger der allegorischen und mythologischen
Personifikationen erscheint, mit denen die Deckengemälde des
Palacio Real operieren. Es ist schwer vorstellbar, für welchen
Kontext dieses Gemälde konzipiert wurde, das aus dem Rahmen
der für Karl III. gemalten Werke fällt. Mit seiner etwas krypti-
VI-6 Nikolaus Mosmann nach A. R. Mengs, Amor Virtutis, 1776,
(ehern. EI Escorial, Casita del Principe), London, British Museum,
Dept. of Prints and Drawings
sehen Thematik und seiner penetrant gefühlvollen Geste reprä-
sentiert es eine geschmackliche Tendenz, die sich am ehesten als
allegorisch getarnter Naturalismus bezeichnen läßt. Geglückter
sind vier andere Ölgemälde, die wahrscheinlich im Auftrag der
Maria Luisa von Parma entstanden sind, da sie sich in ihrem
»Tocador« (III/8 in Abb. IV-10) als Supraporten befanden. Da sie
bereits im Inventar von 1772 aufgeführt sind, müssen sie vor
1769 entstanden sein. Lt. Ponz waren sie der einzige Bild-
schmuck dieses Raumes, den die Prinzessin als Konversations-
zimmer benutzte.21 Ein zwingender thematischer Zusammen-
hang der als schwebend dargestellten Tageszeiten mit dem
gleichzeitig entstandenen Deckengemälde der Apotheose des
Herkules von Francisco Bayeu (Abb. IV-24) ist nicht feststellbar.
In ihrem vollen und lichthaltigen Kolorit nehmen die Darstel-
lungen der vier Tageszeiten offenkundig den Stil und die Farbef-
fekte der Apotheose des Trajan vorweg. Das auffälligste Merk-
mal der fast quadratischen Leinwandgemälde ist ihr auf die
jeweilige Tageszeit abgestimmtes Bildlicht, das auch die Wolken-
formationen prägt und der vollständige Verzicht auf weiteres fi-
gürliches Beiwerk. Merlo zufolge war die Anordnung innerhalb
des Zimmers die folgende: Aurora, die Blumen aus die Erde
streut, befand sich über der Tür zum Schlafzimmer, während
Diana (Farbtafel XLVIII) als Personifikation der Nacht über der
Tür zum Empfangssaal dargestellt war. Phoebus-Apollo (Farbta-
fel L) und Lucifer-Hesperus (Farbtafel XLIX) bekrönten die fin-
gierten Türen auf der West- bzw. auf der Ostseite.22 Eine genaue
Korrespondenz zwischen dem Standort der Bilder und dem na-
Das letzte Lustrum: Madrid und Rom 1774-1779 347
solut sicheren Beherrschung der Perspektive und der Anatomie.
Der Rückblick auf die Galeriefresken der Villa Albani macht die
durchschrittene Wegstrecke auch unter diesem Gesichtspunkt
deutlich. Das Deckenbild wurde Ende des Jahres 1776 vollendet,
wie sich aus dem Bericht des österreichischen Gesandten P. P.
Giusti16 ergibt, der der Ansicht war, daß sich Mengs mit diesem
Werk selbst übertroffen habe (s. Bd. 1, Kat. Nr. 299, Dok. 1). Vor
allem dieser Plafond stellte ein umfangreiches Repertoire an
Kompositionen, Figuren und Motiven zur Verfügung, das für die
weitere Ausmalung der königlichen Residenzen durch Bayeu,
Maella und ihre Nachfolger vielfach nutzbar war, wozu mögli-
cherweise auch das umfangreiche Zeichnungsmaterial beitrug,
das zu einem nicht unerheblichen Teil in der Palast-Werkstatt
verblieben zu sein scheint.17 Die Einheitlichkeit der Madrider
Plafondmalerei des späteren 18. Jahrhunderts, die nicht nur für
den Palacio Real, sondern auch für die anderen Residenzen gilt,
beruht auf den Normen, die Giaquinto, Tiepolo und Mengs mit
ihren Werken gesetzt hatten. Dieses Musterrepertoire war so
vielfältig, daß es für jeden Bedarf eine Lösung anbot. Dennoch
orientierten sich Maella (Abb. IV-12) und Bayeu (Abb. VI-5) in er-
ster Linie an der Mischung der Ingredienzien, zu der Mengs im
Plafond der Apotheose des Trajan gefunden hatte. Während der
gesamten Regierungszeit Karls III. blieb die malerische Ausstat-
tung der königlichen Schlösser in Form und Inhalt den traditio-
nellen Mustern der barocken Bildsprache verhaftet.18 Dies ist
letztlich auf das ikonologische Konzept des Padre Sarmiento zu-
rückzuführen, das trotz der Kritik von Mengs (s. S. 232) im Gro-
ßen und Ganzen verbindlich geblieben war. Die späte Blüte der
profanen Deckenmalerei in Madrid hing auch damit zusammen,
daß hier noch uneingeschränkt die thematischen und ästheti-
schen Vorgaben galten, die der barocken Deckenmalerei ihre
Funktion und ihre Attraktivität verliehen hatten.19 Es gibt kei-
nen anderen nach Größe und Bedeutung vergleichbaren Gebäu-
dekomplex in Europa, dessen malerische Dekoration noch so
konsequent den traditionellen Mustern folgte. Dies wird be-
sonders im Vergleich mit dem Palazzo Reale von Caserta deut-
lich, der ab 1777 eine im Inhalt und Anspruch einfachere, aber
auch moderner wirkende Deckenausmalung erhielt.20
Die Arbeit an den beiden Deckengemälden und an dem Pla-
fond des Teatro domestico in Aranjuez ließ Mengs wenig Zeit
für die Ausführung anderer Gemälde. Auf jeden Fall entstand
während dieser Zeit das nur in Kopien überlieferte Gemälde des
»Amor Virtutis«, dessen Auftraggeber vermutlich der Prinz von
Asturien war (Abb. VI-6). Der Hinweis auf die Fertigstellung des
Gemäldes findet sich in dem Bericht, den der österreichische Ge-
sandte am 30.12. 1776 schreibt und in dem er außer dem Pla-
fond des »Salon ä diner« auch das »tableau de la Vertue« lobt
(s. Bd. 1, S. 381). Dank der seit einigen Jahren bekannten qua-
litätvollen Kopie von Felipe Lopez (Bd.2, NN 115) kann man
sich eine Vorstellung von der Erscheinung des Gemäldes ma-
chen, das sowohl in seiner Thematik wie in seiner formalen Ge-
staltung als ein Ableger der allegorischen und mythologischen
Personifikationen erscheint, mit denen die Deckengemälde des
Palacio Real operieren. Es ist schwer vorstellbar, für welchen
Kontext dieses Gemälde konzipiert wurde, das aus dem Rahmen
der für Karl III. gemalten Werke fällt. Mit seiner etwas krypti-
VI-6 Nikolaus Mosmann nach A. R. Mengs, Amor Virtutis, 1776,
(ehern. EI Escorial, Casita del Principe), London, British Museum,
Dept. of Prints and Drawings
sehen Thematik und seiner penetrant gefühlvollen Geste reprä-
sentiert es eine geschmackliche Tendenz, die sich am ehesten als
allegorisch getarnter Naturalismus bezeichnen läßt. Geglückter
sind vier andere Ölgemälde, die wahrscheinlich im Auftrag der
Maria Luisa von Parma entstanden sind, da sie sich in ihrem
»Tocador« (III/8 in Abb. IV-10) als Supraporten befanden. Da sie
bereits im Inventar von 1772 aufgeführt sind, müssen sie vor
1769 entstanden sein. Lt. Ponz waren sie der einzige Bild-
schmuck dieses Raumes, den die Prinzessin als Konversations-
zimmer benutzte.21 Ein zwingender thematischer Zusammen-
hang der als schwebend dargestellten Tageszeiten mit dem
gleichzeitig entstandenen Deckengemälde der Apotheose des
Herkules von Francisco Bayeu (Abb. IV-24) ist nicht feststellbar.
In ihrem vollen und lichthaltigen Kolorit nehmen die Darstel-
lungen der vier Tageszeiten offenkundig den Stil und die Farbef-
fekte der Apotheose des Trajan vorweg. Das auffälligste Merk-
mal der fast quadratischen Leinwandgemälde ist ihr auf die
jeweilige Tageszeit abgestimmtes Bildlicht, das auch die Wolken-
formationen prägt und der vollständige Verzicht auf weiteres fi-
gürliches Beiwerk. Merlo zufolge war die Anordnung innerhalb
des Zimmers die folgende: Aurora, die Blumen aus die Erde
streut, befand sich über der Tür zum Schlafzimmer, während
Diana (Farbtafel XLVIII) als Personifikation der Nacht über der
Tür zum Empfangssaal dargestellt war. Phoebus-Apollo (Farbta-
fel L) und Lucifer-Hesperus (Farbtafel XLIX) bekrönten die fin-
gierten Türen auf der West- bzw. auf der Ostseite.22 Eine genaue
Korrespondenz zwischen dem Standort der Bilder und dem na-
Das letzte Lustrum: Madrid und Rom 1774-1779 347