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achtet dessen, daß er die Kontrastierung kräftiger Farben durch-
aus anwandte und befürwortete.170 Dem späteren 18. und dem
frühen 19. Jahrhundert wurde seine an den Körper und an das
Helldunkel gebundene Auffassung von der Farbe jedoch zuneh-
mend fremd, wie vor allem Goethes Kritik belegt.171
Eine weitere Besonderheit von Mengs’ Malweise paßt zu die-
ser altmeisterlichen Sorgfalt und dies war die Verwendung eines
Firniß, den Armenini beschrieben hatte und von dem er angab,
daß ihn Correggio und Parmigianino verwendet hatten.172 In ei-
nem Brief an Maron, in dem er sich dafür bedankt, daß Maron
das Porträt des Kardinal Zelada (Abb. V-65) gefirnißt hatte, er-
klärt er auf dessen Anfrage hin genau die Zusammensetzung
und Zubereitung des Firnisses, den er verwendet und den er sich
selbst aus verschiedenen Bestandteilen (Sandarak-Harz, Weinspi-
ritus, venezianischer Terpentin) zubereitete.173 Das Firnissen war
nicht allgemein üblich, so erfährt man aus einem anderen Brief
an Maron (s. biogr. Dok. 22.2. 1774), daß Maron für seine Gemäl-
de keinen Firniß verwendete. Einige Jahre später (1787-1788)
entspann sich über die Frage des Firniß eine heftige Debatte, die
in den römischen Kunstzeitschriften ausgetragen wurde und bei
der es u. a. um die Frage ging, ob er Eiweiß enthalten dürfe oder
nicht.174 An der Art und Weise, wie Mengs die Herstellung des
Firnisses beschreibt, wird deutlich, daß er auch hierbei der Em-
pirie den Vorzug gab.
Mengs hat sich nicht nur praktisch, sondern auch schreibend
mit der Verwendung der Farben und mit grundsätzlichen Fragen
des Kolorits auseinandergesetzt. In den »Gedanken«, seiner frü-
hesten Schrift, sind die Bemerkungen über das Kolorit noch sehr
allgemein gehalten, was mit der Zielsetzung dieses Traktats zu-
sammenhängt (s. S. 194). Seine systematische Untersuchung der
Kunst Raffaels, Correggios und Tizians schließt jedoch auch ein
Kapitel über das Kolorit ein, dessen Inhalt mit dem Tenor seiner
spezifischen Anmerkungen zu Farbe und Kolorit übereinstimmt.
Er erklärt hier: »In der Malerey sind aber zwey Theile, worinne
Schönheit zu bezeichnen ist, nämlich Form und Farben: zur
Form gehöret auch Licht und Schatten; durch die Form werden
alle Bedeutungen und Regursachen bezeichnet, durch Farben
die Eigenschaften.«175 Trotz der Knappheit, mit der die Fragen
des Kolorits behandelt werden, enthält bereits dieser Text Be-
merkungen, die am Beispiel der Malerei Correggios einen Ver-
gleich zwischen den Wirkungen der Farbtöne und den musikali-
schen Klängen ziehen: »sondern mit einem justen Mittel des
starken Ortes und der Ruhe, führete er die Augen des Ansehen-
den wieder sanfte zu der Anspannung, so daß diese das Auge
gleichsam erwekete, als wenn man einen Schlafenden durch den
Klang eines Harmonischen Instrumentes aufweket.«176
Mengs’ Ansichten über die Farben und seine Empfehlungen
zu ihrem Gebrauch durch den Maler haben sich vor allem in ei-
nem als Mitschrift der Schüler überlieferten Fragment erhalten,
das von Fea in die Werkausgabe aufgenommen wurde.177 Teile
dieses Textes, der in den verschiedenen Editionen unterschied-
lich strukturiert ist (s. S. 422), wurden vermutlich bereits wäh-
rend des dritten Romaufenthaltes niedergeschrieben. Die Be-
merkungen zum Kolorit und seine Beobachtungen zu den
verschiedenen Aspekten der malerischen Praxis178 gehen immer
von einem empirischen Fundus aus und zielen auf die Nutzan-
wendung. Besonders offensichtlich ist das in den Äußerungen

über die Farben und ihre je nach Materialität und Relation
unterschiedliche Wirkung. Mit dem Begriff des Accordo, den
Mengs der musikalischen Kompositionslehre entlehnt, be-
schreibt der den Zusammenklang der Farben in ihren Abstufun-
gen und kennzeichnet das Gleichgewicht der drei Grundfar-
ben.179 Während die Harmonie »für Dinge gehört, die ein Maaß
haben«, bezeichnet der Akkord eine Relation zwischen den ein-
zelnen Farbtönen, die unbegrenzt variabel ist. Licht und Schat-
ten tragen zur unendlichen Bereicherung der Skala der Farbtöne
(«Tinten«) bei, deren Grundelemente die drei Grundfarben sind.
Damit setzte sich Mengs deutlich von älteren, damals aber
durchaus noch verbreiteten Vorstellungen ab, die auf der Farb-
metrik beruhten, die sich auf feste Zahlenrelationen verließ.180
Sein Abgehen von der traditionellen Farblehre181 begründet
er wie folgt: »denn ich habe es für schicklicher gehalten, nach
Grundsätzen zu reden, die ich aus der Erfahrung und durch
Ausübung meiner Kunst gesammelt habe.«182
Hier spätestens werden jedoch die Grenzen dieser auf der
Praxis basierenden »Farbenlehre« sichtbar, der die Systematik
fehlt und die so stark auf der Kenntnis der Materie und auf der
Erfahrung aufbaute, daß sie didaktisch nur bedingt vermittelbar
war. Letztlich sind die in den »Gedanken« skizzierten koloristi-
schen Gefüge, die Mengs als Korrelate von Empfindungen ver-
steht - im Betrachter hervorgerufen durch die Farbtöne183 - von
einer so subtilen Vielfalt, daß sie sich jeder Systematisierung
und Kategorisierung entziehen.
Um so anschaulicher und einsichtiger sind seine Überlegun-
gen dort, wo er sie mit Beispielen illustriert. Als Beleg für seine
These, daß es nur drei Grundfarben gibt (Gelb, Rot und Blau),
aus deren Mischungen und Abstufungen die »Tinten« entstehen,
die durch Weiß und Schwarz (denen er keine Farbqualität, son-
dern nur Helldunkelwerte beimißt) »heller oder dunkler ge-
macht werden«184, führt er Rembrandt und Barocci an. Er ver-
steht das Kolorit beider Maler als Extreme auf einer Skala, auf
der sich die Farben mit dem Helldunkel mischen. Während
Rembrandt mit Hilfe des Schattens alle Farben miteinander har-
monisierte, habe Barocci »alle Farben mit Weiß beleuchtet«.185
Rembrandts Gemälde wirkten daher so, als »wenn er sie in einer
Höhle gesehen hätte (...). Barocci im Gegentheil scheint alle
seine Geschichten in der freyen Lust, oder in den Wolken gese-
hen zu geben.«186
In der Freskomalerei, deren Beherrschung sich Mengs weitge-
hend selbstständig angeeignet haben muß (s. biogr. Dok. 23.12.
1761), da sein Vater auf diesem Gebiet keine Erfahrung hatte,
griff er ebenfalls auf altmeisterliche Verfahrensweisen zurück.
Azara zufolge entsprach seine Handhabung dieser Technik der
traditionellen Praxis: »Wenn er in Fresko mahlte, war es noch
schlimmer, weil er sich in einer gezwungenen Stellung gegen
die Decke auf das Gerüste setzte, und die giftigen Ausdünstun-
gen des Kalchs und der Mineralien, deren man sich in dieser Art
zu mahlen bedient, einathmete.«187 Die Herausforderungen des
Freskomalens waren jedoch nicht nur technischer und physi-
scher Natur, wie denjenigen bewußt war, die den Niedergang
dieser Kunstgattung beklagten.188 Auch die differenzierten Vor-
bereitungsstadien durch Detailzeichnungen und Kartons bedeu-
teten ein bewußtes Anknüpfen an die Praxis der Renaissance.
Mengs versuchte, einen Schaffensprozeß zu verlangsamen, der

Nachruhm, Nachleben und Wirkung 405
 
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