Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Zeitschrift ..Die Gesellschaft“
und der Verleger Wilhelm Friedrich
„Wer die Geschichte der naturalistischen Frühzeit kennen lernen
will, für den bieten namentlich die ersten Bände der »Gesellschaft«
reichen Stoff. Die Geschichte der jungen Zeitschrift ist zunächst die
Geschichte der neuen künstlerischen Bewegung.“ Dies ist das Urteil
Soergels, der die Bedeutung dieser Zeitschrift für den Durchbruch
des jungen Naturalismus auf fast 40 Seiten behandelt. Die Ge-
schichte dieser neuen Literaturbewegung beginnt sozusagen mit dem
Erscheinungsdatum der ersten Nummer der „Gesellschaft“, dem
1. Januar 1885. Außer den Haupt-Mitarbeitern Michael Georg
Conrad, Karl Bleibtreu und Conrad Alberti seien noch
die folgenden Autoren genannt: John Henry Mackay, Max Kretzer,
Hermann Conradi, Ferdinand Avenarius, Ludwig Scharf, Otto Julius
Bierbaum, Otto Erich Hartleben, Max»- Halbe, Peter Hille, Gerhart
Hauptmann, Thomas Mann, Ernst von Wolzogen, Fritz Lienhard,
Detlev von Liliencron, Johannes Schlaf.
Der Mann, der die meisten dieser Schriftsteller verlegerisch betreute
und mit Recht als „der erste Naturalistenverleger“ zu bezeichnen ist,
ist eine Persönlichkeit, deren Name ganz in Vergessenheit geriet, ob-
wohl sie verdient, neben bekannteren Verlegernamen aus der Früh-
zeit der modernen Literatur, wie S. Fischer oder Diederichs, in
ehrender Erinnerung zu bleiben: Es ist der Leipziger Verlegei'
Wilhelm Friedrich, über den aus einer bisher ungedruckten
und inzwischen verlorengegangenen Quelle einiges berichtet sei:
Der expressionistische Dichter Walter Hasenclever verfaßte
im Jahre 1912 seine Doktorarbeit „Die Entwicklung der Zeitschrift
»Die Gesellschaft« in den 80er Jahren (Ein Beitrag zur Literatur und
Geschichte des 19. Jahrhunderts).“ Dies von Hasenclever nie als
Promotionsschrift eingereichte Manuskript von 180 Maschinen-
schriftseiten ging im letzten Krieg verloren. Vorher jedoch hatte
Dr. Karl H. Salz mann sich aus dieser Arbeit umfangreiche
Notizen gemacht, die von ihm für eine detaillierte Geschichte der
Zeitschrift „Die Gesellschaft“ verarbeitet wurden. Aus dieser dem-
nächst im Druck erscheinenden Arbeit erlaubte der Verfasser in
entgegenkommender Weise die Mitteilung folgender Tatsachen:
In den ersten zwei Jahren ihres Bestehens war die „Gesellschaft“
das Leidenskind des Herausgebers M. G. Conrad, der die Kosten
des Unternehmens selbst tragen mußte. Da die Zeitschrift es auf
nicht einmal 100 Abonnenten brachte, mußte er in diesen beiden
Jahren über 10 000,— Mk. zusetzen. Die Zeitschrift, die im Verlag
Franz in München erschien, war bald auf dem besten Wege,
wieder einzugehen, wenn sich ihrer nicht der Verleger Wilhelm
Friedrich angenommen hätte. 1851 geboren, lernte er in Elbing
den Buchhandel und war dann in großen Buchhandlungen des Aus-
landes tätig: in Venedig, Turin, Lyon, Tiflis, Kiew, Agram und
Zara. Das Programm seines 1878 gegründeten Verlages faßte er in
den Satz zusammen: „Mein Verlag dient derjenigen Kunst, die sich
nicht vor dem Modegeschmack des Publikums prostituiert“, und auch
die „Gesellschaft“ wandte sich nach Friedrichs eigenen Worten
„nicht an den Lesepöbel, sondern an die kleine Schaar literarischer
Feinschmecker in Deutschland“. Was Friedrich verlegte, war der
 
Annotationen