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Muzeum Narodowe <Breslau> [Editor]; Muzeum Śla̜skie <Breslau> [Editor]
Roczniki Sztuki Śląskiej — 10.1976

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Ziomecka, Anna: Śląskie retabula szafowe w drugiej połowie XV i na początku XVI wieku
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https://doi.org/10.11588/diglit.13740#0186
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144

Anna Ziomecka

kirchen, lediglich 42 Retabel stammen aus in Stadten gelege-
nen Kirchen. Von dieser Zahl schmiickten nur einige die Haupt-
altare, z. B. in Legnica, Lubin Śląski, Góra Śląska. Fast vol-
lig fehlen Beispiele aus den Hauptkirchen groBer schlesischer
Stadte wie Wrocław, Świdnica, Nysa, Opole, Kłodzko, Gło-
gów. Im ałlgemeinen gehórten also die erhaltenen Kunstdenk-
maler nicht zu denjenigen, die die Entwicklungswege hiesiger
Milieus' gestalteten; sie dokumentieren vielmehr einen in die-
ser Region akzeptierten, am meisten verbreiteten Typus.

Die Analyse der gesammelten Exemplare erlaubt es zu
behaupten, daB die schłesischen Retabel alle charakteristi-
schen Bestandteile der schreinfórmigen Retabel entwickelt ha-
ben. Sie bestanden aus einem mittleren, mit einer Skulptur
versehenen Schrank (sog. Schrein) und aus einem oder zwei
Fliigelpaaren, unter denen nur die feierliche Seite des Innen-
paars, das den Schrank unmittelbar begleitete, Reliefe enthal-
ten konnte. Der Rest war ausnahmslos mit Małerei geschmiickt.
Den Untersatz bildete am meisten eine geschnitzte Predelle,
und das Ganze war mit Ajourgeschnitztem Aufsatz gekrónt, der
eine Umrahmung fiir Figuren bzw. Reliefe bildet.

Das Ganze der Komposition war immer von der Form
des Mittelschreines abhangig. Zu dieser Zeit besaB er immer
in Schlesien die Form eines ebenmaBigen, vertikal aufgestel-
Iten Rechtecks. Sein UmriB war nie von einer Biegung oder
ciner Wellenlinie, die den oberen Schrankrand erhóhen wiir-
de, bereichert. Fliigeł, Predelłen und Gesprenge waren immer
dem Mittelteil kompositorisch untergeordnet, jedoch — deut-
lich voneinander unterschieden — unterstreichen sie die funk-
tionnale Differezierung aller Bestandteile. Niemals ging der
Schrein unmittelbar in malerische Schmuckformen iiber, nie-
mals auch wurden die Flugelteilungen auf das Feld des Mit-
telschreines iibertragen. Bei den Flugelteilungen wurde am
haufigsten — im Verhaltnis zum Schrein — das „gebundene"
System angewendet, d.h. das Feld des in der Mitte seiner Ho-
he geteilten Fliigełs entsprach einem Viertel der Schrankflache.

In der ałlgemeinen Konzeption der schłesischen Retabel
wurde der Móbelcharakter beibehalten. In keinem der erhal-
tenem Beispiele wurden Versuche unternommen, sie in die sog.
kleine Architektur umzungestalten. Es fehlen diesg. Kapel-
lenschreine, es fehlen die in kleine Kompartimente gegliederten
Mikro-Innenraume, die bei damaligen niederlandischen Retabeln
bekannt sind. Eine flachę, vertikale Aushóhlung, die manchmal
vertikal iiber das Schrankinnere verlief und mit keinen zusatz-
lichen dekorativen Elementen unterstrichen wurde, oder aber
eine — bei alteren Exempłaren angetroffene — horizontale,
vom Schrank ausgegliederte untere Zone, die die Predelle er-
setzte — das ist eigentlich alles, wenn es sich um Versuche
handelt, das flachę Schrcininnere zu differenzieren. Mehr noch,
an fast allen gesammelten Exemplaren laflt sich ein bewuB-
ter Verzicht auf raumliche Werte beobachten, das Vermeiden
einer auch allgemeinsten Illusion der Tiefe. An der Schrein-
form, an ihrer Dekoration, an den Hintergrundornamenten
mit dem Motiv eines flach gespannten Vorhanges sieht man ein
konsequentes Streben nach der Betonung flachengraphischer
Werte, nach der Verwerfung der Helldunkel — und male-
rischer Elemente.

Seichtes, flaches Innere, ohne Reichtum an Schnitzerde-
korationen, zeigt die harte, gołdgliinzende und undurchdrin-
gliche Oberflache des Hintergrundes. Darin herrschen —
durch ihre AusmaBe — steife, unbewegliche Hciligenfiguren
vor. Zum gróBten Teil sind das prasentierende Darstellungen,
meistens — Dreipersonengruppen stehender Gestalten. In die-
sen Gruppen fallt das Fehlen Ihronender Figuren auf. Selten
erscheint eine einzełne Gestalt, meistens ist es Assunta.

Nur in zwei nicht groBen Triptychen fand man ein
Heiligenpaar, dagegen wurde nirgendwo eine Gruppe von
vier oder mehreren Personen festgestellt. In den Darstellungen.
der feierlichen Eroffnung des Triptychons ist das Meiden eines
iibermaBigen Reałismus, der Dynamik oder Expression deut-
lich sichtbar.

Ein charakteristisches Merkmal ist auch eine sehr sparsame
Anwendung von Ornamenten und Dekorationen, die verhal-
tnismaBig ungroBe Partien des Retabels eimnehnen. Deshalb
riieken die Figurenelemente umsomehr auf den ersten Plan.
Insbesondere werden die Schnilzerdekorationen in geringen
Grad verwendet; und haufiger treten sie allein in den nordwes-
tlichen Teilen Schlesiens auf, in denen der EinfluB Sachsens
zu beobachten ist. Die Motive sełbst sind wenig differenziert.
Einzełne Verzierungsarten weisen dagegen bestimmte Stellen
auf, an denen sie erscheinen.

Die Autorschaft dieser Werke ist schwer zu erfassen,
denn auBer den Jahresangaben und manchmal — ausnahmswei-
se — den Stifterwappen tragen sie keine Signaturen. Das Mo-
nogramm des Meisters HS im Schrank aus Domasław und
das Gemerk an den Figuren aus Wilczkowice bei Sobótka
sind eigentlich einzige erhaltene Spuren persónlicher Zeichen
der Schopfer.

Das Altarretabel in der fur die zweite Halfte des XV.
Jalirhunderts charakreristischen Form tauchte in Schlesien
bereits in den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts auf, in den
Wrocławer Werkstatten. Die ersten groBen Retabel: aus Leg-
nica von 1466, das der Wrocławer Goldschmiede von 1473
und das Poliptychon der Verkiindigung aus der Elisabethkir-
che in Wrocław, das sicherlich noch vor 1480 entstanden war,
kennzeichen sich durch eine groBe Viełfałt an Formen und
Losungsarten, die den Reichtum zustrómender Anregungen
verraten. In den Werken aus der Provinz erscheinen noch zu
dieser Zeit Gestaltungselemente, die der vorigen Periode ei-
gen sind, so z.B. die Vertcilung der Darstellung im Typus des
Viereraltars, oder die untere Zone des Schrankes, die die Predelle
ersetzte.

In den Jahren 1480 - 90 wird der Typus des spiitgoti-
schen GroBfiguren-Retabels recht verbreitet. Das hervorragen-
dste Werk dieser Zeit war in Schlesien das prachtige Retabel
der Wrocławer Augustianer aus den Jahren 1485 — 87. Leider
ist es nur in winzigen Fragmenten erhalten geblieben, und eine
Rekonstruktion seiner urspriinglichen Gestalt ist heute nicht
mehr móglich. In den Werken aus dieser Zeit ist eine be-
stimmte Differenzierung an Bestrebungen sichtbar, die beson-
ders in der Gestaltung der Figurenpartien zum Ausdruck
kommt. Mit dem Anfang der neunziger Jahre werden sze-
nische Darstellungen immer haufiger. In dieser Hinsicht ist
das prachtige Krakauer Poliptychon von Veit StoB nicht ohne
Ruckwirkung geblieben, dessen zahlreiche Nachahmungen
damals in Schlesien entstanden. Dieses Poliptychon hat si-
cherlich entschieden, daB das Retabel mit bemalten Fliigelin-
nenseiten das in der friiheren Periode dominierte, in den Hin-
tergrund getreten war.

Die fiir Schlesien charakteristischen Merkmale sind am
deutlichsten in den am Anfang des XVI. Jahrhunderts massen-
haft hergestelłten Retabeln hervorgetreten. Ihre Produktion
in groBen Werkstatten, vor allem in Wrocław, wai fiir die Pro-
vinz vorgesehen und vervielfaltigte in einigezehn Exemplaren
die allgemein akzeptierten Muster. So ist aus dieser Zeit die
gróBte Anzahl der Retabel erhalten geblieben.

Angesichts des uneinheitlichen Erhaltungszustandes die-
ser Werke in verschiedenen Teilen der Region ist die terri-
toriałe Differenzierung innerhalb Schlesiens (wahrend der gan-
 
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