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Sacken, Eduard von
Die antiken Bronzen des K.K. Münz- und Antiken-Cabinetes in Wien (Band 1): Die figuralischen Bildwerke classischer Kunst — Wien, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.1790#0004
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sich daher die Bemerkungen über den geistigen Inhalt der einzelnen Darstellungen mehr auf deren Vor-
bilder, als auf die flüchtigen, nicht selten handwerksmässig ausgeführten Copien, die nur ein Abglanz der-
selben sind.

Die Veränderungen, welche die Schöpfungen einer Periode im Laufe der folgenden erfuhren, die Art
wie ein späterer Künstler das "Werk eines früheren auffasste, geben über manche Fragen der geschichtlichen
Entwicklung der Kunst beachtenswerthe Winke.

Aber auch an und für sich haben die, wenn auch den Grundlagen nach nicht selbstständigen Bildwerke
ihre künstlerische Bedeutung, denn eben durch die geistige Aufnahme des Originales und dessen freie, von der
Empfindung des copirenden Künstlers durchdrungenen Wiedergabe erscheinen viele als neue Schöpfungen, daher
wahre Kunstwerke, die für die Zeit, in der sie entstanden, sehr bezeichnend sind. Ueberdiess bieten sie reiche
Gelegenheit das feine Gefühl und den sicheren Tact zu bewundern, mit denen aus dem reichen Detail der
grösseren Originale die bezeichnenden Züge zur scharfen Charakteristik des Gedankens ausgewählt wurden,
wie auch die verständige Oeconomie in der Wiedergabe des Wesentlichen, die geistreiche Darstellungsgabe
und das richtige Verständniss, um dem Materiale und Formate immer gerecht zu werden.

Neben den Götterbildern von meist sacraler Bedeutung, die zur Verehrung in öffentlichen und Privat-
Heiligthümern bestimmt waren, gibt es unter den kleinen Bronzen eine grosse Menge von mehr genremässiger
Auffassung und Behandlung, deren Zweck sicher nur die Ausschmückung des Hauses und der Geräthe war,
um dem allgemeinen Bedürfnisse nach Verschönerung des täglichen Lebens und Veredlung der Umgebung, welches
die grossen Kunstbewegungen wachgerufen hatten, zu entsprechen. Dahin gehören namentlich die zahlreichen
Darstellungen aus den Kreisen des Dionysos, der Aphrodite und des Eros, welche die Gemächer und Speisesäle
zierten, die mythologischen Genrestücke und dem Leben entnommene Scenen und Figuren. Diese sind natürlich
keineswegs alle Nachbildungen berühmter Werke, sondern oft selbstständige Erfindungen, zum Theil direct dem
Leben abgelauscht; hier war der reich gestaltenden beweglichen Phantasie, dem rastlos wirkenden schöpferischen
Bildungstriebe ein weites Feld zur Hervorbringung der mannigfaltigsten Gestalten geboten.

So gewähren die kleinen Bronzebildwerke keine geringere Ausbeute nach ihren mythologischen und
ikonographischen Beziehungen als für unsere Kenntniss der Kunst und ihrer Geschichte. Die künstlerische
Ausdrucksweise in dieser Art der Technik ist eine ganz eigenthümliche, von der in anderen Stoffen verschie-
den. In Bezug auf Anordnung und charakteristische Ausstattung machen sich nicht geringere Besonderheiten
geltend, als in der Formgebung. So ist, um nur ein Beispiel anzuführen, die jeder Gottheit specifisch zukom-
mende Anordnung des Gewandes in der Regel anders als bei Marmorseulpturen. Auch hier kommt zu bedenken,
dass die späten, nachbildenden Künstler die Typen nicht selbstständig schufen oder willkürlich abänderten,
sondern an bestimmte Traditionen gebunden waren, die freilich durch den verschiedenen Zeitgeist mancherlei,
gerade für diesen charakteristische Modificationen erfuhren. Die Reihen von Bildwerken, welche sich aus den
grösseren Sammlungen herstellen lassen, machen den Entwicklungsgang der Typen anschaulich. Die folgende
Darstellung nimmt auf diesen möglichst Rücksicht, indem die verschiedenen Seiten des Wresens der Götter in
Gruppen gebracht und nach ihrem Zusammenhange mit den ursprünglichen Vorstellungen behandelt werden;
denn es handelt sich darum, die Ideal-Typen nachzuweisen und zu zeigen, wie sie aus dem Gedanken, aus
dem Wesen der dargestellten Gottheit hervorgingen. Da sich in den Erzeugnissen der Kleinkunst die künst-
lerischen Ideen und die volksthümliche Geschmacksrichtung begegnen, so geben gerade die Motive, welche sie
ins Leben riefen einen Massstal) zur Beurtheilung der letzteren ab. Denn welche Culte die populärsten waren,
welche Vorbilder sich einer besonderen Beliebtheit erfreuten, das häufigere oder seltenere Vorkommen gewisser
Vorstellungen sind für die Richtung der verschiedenen Zeiten bezeichnende Momente; so bilden die kleinen Bronzen
bedeutungsvolle culturgeschichtliche Zeugnisse.

Für alle diese verschiedenen Beziehungen bietet die kaiserliche Sammlung eine namhafte Anzahl charakte-
ristischer Beispiele und von manchen Typen kleine Serien, was für die Erkenntniss der kunstgeschichtlichen
und mythologischen Bedeutung derselben von besonderem Werthe ist. Sie nimmt unter den gleichartigen
Sammlungen in den europäischen Museen eine hervorragende Stelle ein schon wegen der vielen Werke von
vorzüglicher Ausführung.

Was die Geschichte der Entstehung unserer Sammlung anbelangt, so ist nur allgemeines darüber bekannt.
Den Grundstock bildet der Besitz der alt-österreichischen Haussammlung von Münzen und Alterthümern. der
sich bis in die Zeiten Kaiser Maximilians I. zurückdatirt und der durch die Erwerbungen des kunstliebenden
Kaisers Rudolphs IL, die Erbschaft des Statthalters der Niederlande, des Erzherzogs Leopold Wilhelm
(1662) u. s. w. vermehrt wurde. Die Stücke, welche von daher stammen, lassen sich bei den mangelhaften





Angaben der damaligen Inventare

nicht mehr bezeichnen. Die wichtigste Bereicherung ergab der Ankauf eines
 
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