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III. KAPITEL

DIE BAUWERKE DER LANDSCHAFT TABARISTAN

VORWORT

Die heutigen Landschaften Gilan und Mazenderan umfassen
das Küstengebiet im Norden des persischen Hochlandes, von
der Gebirgskette des Eiburs bis zum Ufer des Kaspischen Meeres.
Das östlich gelegene Mazenderan begrenzt das südliche Ufer,
vom Flüßchen Mian Rud bis zur Provinz Astrabad und zur
turkmenischen Steppe. Der mittelalterliche Name für Mazenderan
ist Tabaristan, während ersterer erst im i3. Jahrhundert
aufkommt. Zu Tabaristan wurde zeitweilig auch der südlich
vom Gebirge sich bis zur Salzsteppe erstreckende schmale
Landstreifen gerechnet, der auch den Sondernamen Kumis
führte und heut teils zur westlichen Provinz Rai resp. Teheran,
teils zur östlichen Chorasan gehört. Die Hauptstädte von
Kumis, dieses fruchtbaren Landstriches, den die große von
Rai nach Chorasan, nach Nischapur und Meschhed führende
Heer- und Pilgerstraße durchläuft, sind Damgan, Semnan
und Bostam, und so lauten zusammen mit Firuskuh und
Kharkan auch die fünf Provinzen des alten Tabaristan. So
reicht Tabaristan oder Mazenderan im weiteren Sinne südlich
bis zur zentral-persischen Salzsteppe, und wir können demnach
die erwähnten Städte des ehemaligen Kumis im Zusammen-
hang mit dieser Landschaft besprechen.') Das Gebirge, aus
dem der mächtige Kegel des Demawend ungefähr in der Mitte
hervorragt, fällt steil zur Ebene ab, die von zahllosen Bächen
und kleineren Flußläufen durchschnitten wird. Diese ist außer-
ordentlich fruchtbar, im Gegensatz zu dem vegetationslosen
Hochlande ursprünglich mit undurchdringlichen Wäldern bedeckt
und infolge des milden, feuchten Klimas für den Anbau von
aller Art Nutzpflanzen geeignet. Reis, Zuckerrohr, Obst, Wein,
Orangen, Granaten und Maulbeerbäume für die Seidenzucht
kommen hier fort; die von Schah Abbas aus Indien eingeführten
Zypressen gedeihen hier in außerordentlicher Größe und
Schönheit, ja sogar Dattelpalmen^) haben sich aus dieser Zeit
bis in die Gegenwart in einigen wenigen Exemplaren erhalten.
Die Fauna ist sehr mannigfaltig. Hier ist die Heimat des
Fasans; das zweihöckerige indische Rind ist erst im 17. Jahr-
hundert hierher verpflanzt worden.

Von jeher hat die Landschaft infolge ihrer Üppigkeit die
Phantasie der Bewohner des vegetationslosen Hochlandes er-
regt. Dies kommt in Firdusis Schahname zum prägnanten
Ausdruck, wo vor dem iranischen König Kai Kaus einer der

') G. Melgunof: Das südliche Ufer des Kaspischen Meeres. Leipzig 1868. S. 47.

2) K. v. Baer: Dattelpalmen am Ufer des Kaspischen Meeres sonst und jetzt.
Melanges biolog. III. Der Grund für das Aussterben der Palme wird in der Ver-
änderung des Klimas infolge des Erlöschens der vulkanischen Tätigkeit gefunden.

im Randgebirge hausenden Diwe (Dämonen) in Gestalt eines
Sängers erscheint und ihn durch die Schilderung der Schönheiten
Mazenderans zur Eroberung zu reizen sucht: „Wo immer
rein die Luft und grün das Land, Den ew'gen Lenz nicht
Frost noch Hitze bannt".1)

Von den Alten Hyrkania genannt, kam die Landschaft
durch Alexanders Siegeszug in den Besitz des Welteroberers,
der kurz vor seinem Tode den Herakleides hierher sandte,
um Bauholz zu fällen und eine Flotte auf dem Kaspischen
Meere zu errichten. Nahm doch der König an, daß ebenso
wie der Persische Golf auch dieses Meer ein Teil des Okeanos
sei. Die Expedition kam infolge des baldigen Todes Alexanders
nicht zur Ausführung und wurde später unter dem Diadochen
Seleukos wieder aufgenommen. Da man nicht bis zum Nord-
ende vordrang, wurde die richtige Ansicht des Herodot ver-
drängt, und das Kaspische Meer für lange Zeit nicht für ein
Binnenmeer, sondern für einen Teil des Okeanos gehalten.

Tabaristan nahm nach der arabischen Eroberung unter
Omar zuletzt von allen sassanidischen Provinzen den muham-
medanischen Glauben an; bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts
hielt sich hier noch teilweis der Feuerkultus, und die Münzen
trugen noch lange Pehlewi-Charaktere. Ab und zu sandten die
Chalifen ihre Heere ab, um unter den dann in Sari und Amol
residierenden Gouverneuren eine zeitweilige Oberherrschaft
zur Geltung zu bringen. Innere Unruhen brachten einheimische
Dynastien ans Ruder, unter denen im 9. und 10. Jahrhundert
die Aliden oder Hassaniden (861—912) und die Husainiden
(913—93o) zu nennen sind. Erstere galten als Nachkommen
Alis, die von den Chalifen verfolgt, in Tabaristan Zuflucht ge-
funden hatten. Daneben kommen in der Folge auch die im
sonstigen Persien zeitweilig herrschenden Dynastien der Saffa-
riden, Tahiriden, Gaznawiden, Bujiden, Samaniden, Seld-
schuken vorübergehend zur Herrschaft und verdrängen die
einheimischen Herrscherfamilien. So kommt Masud, der Sohn
Machmuds von Gazna, im Jahre 1020 nach Tabaristan; dann
1047 der Seldschuke Togrul Bey. Nach der durch Sultan
Muhammed von Khwarizm im Jahre 1210 begründeten Ober-
herrschaft erfolgt 12 53 der furchtbare Einfall der Mongolen.
Spätere Empörungen gegen die mongolische Herrschaft
werden durch Gazan Chan, der 1291 Bostam, Damgan und
Astrabad erobert, und im Jahre i3o6 durch den llchan Muhammed
Chodabende Chan niedergeschlagen. Und wiederum ein halbes

') Gr. Ad. Fr. v. Schack: Heldensagen von Firdusi. i85i. S. 209.

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