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V. KAPITEL

DIE BAUWERKE VON SAMARKAND

VORWORT

Geschichtliches
Samarkand, anscheinend das Maracanda der Griechen,
liegt inmitten einer blühenden Landschaft an einem der Arme
des Sarafschan, der, von Osten kommend, sich westlich in
der Steppe verliert. Samarkand und Buchara sind die be-
deutendsten Städte des zwischen Oxus und Jaxartes liegenden
fruchtbaren Landes, des alten Sogdiana, der Provinz Sughd
des Chalifenreiches. Beide haben in der Geschichte abwechselnd
eine Rolle gespielt; aber während Buchara mehr auf religiösem
Gebiete von Bedeutung war, galt Samarkand stets als die
eigentliche politische Hauptstadt Transoxaniens. Ihre erste
Blüte fällt in die Zeit der Samaniden (874—999); als Herren
folgen die Seldschuken, und einer ihrer Gouverneure, der
türkische Sklave Anuschtigin, macht sich in Transoxanien als
erster Schah von Khwarizm (Kiwa) im Jahre 1077 selbständig.
Sein Fürstentum bildet in der Folge ein Bollwerk gegen die
andrängenden Mongolen, bis es endlich unter dem letzten
Sultan Muhammed der Übermacht erliegt. Dschingiz Chan
selbst leitet die Belagerung der Hauptstadt Samarkand, die
sich nach tapferer Gegenwehr ergibt (1219). Es folgt eine
vollständige Zerstörung; die Einwohnerschaft wird zum größten
Teil getötet oder fortgeführt. Die berühmten Gartenkünstler
Samarkands legen im fernen Osten in den chinesisch-mongo-
lischen Residenzen des Großchans Lustgärten an1); Gelehrte,
Philosophen und Künstler fliehen nach dem Westen, nach
Persien, Mesopotamien, Kleinasien. Ein Dschelal-eddin Rumi
findet am Hofe von Konia gastliche Aufnahme. Und noch
als Ibn Batuta im Beginn des 14. Jahrhunderts Samarkand
besuchte, fand er den größten Teil der Stadt mit den
Moscheen und Medressen in Ruinen.2) Das änderte sich, als
Timur Samarkand zur Hauptstadt seines Weltreiches machte.
Von der Pracht und der Größe des timuridischen Samarkand
haben uns orientalische Geschichtsschreiber und europäische
Reisende lebendige Schilderungen hinterlassen (siehe unten).
Von den Baudenkmälern sind im Vergleich zu ihrer ehemaligen
Anzahl zwar nur noch einige wenige in Ruinen erhalten, aber
selbst diese wenigen vermögen uns schon einen Begriff zu
geben von der hohen künstlerischen Bedeutung der Samarkander
Architektur, die, auf persischer Grundlage beruhend, trotzdem
eigentümlicher Züge nicht entbehrt. Während des i5. Jahr-

') H. Vambery: Geschichte Bucharas. Stuttgart 1872. S. 144.

2) G. Le Strange: The Lands of the eastern Galiphate. Cambridge 1905. S. 463.

hunderts herrschen die Nachkommen des Welteroberers, die
timuridischen Sultane von Transoxanien, über Samarkand;
auch sie, vor allem der prachtliebende Ulug Beg (1447 bis
1449), haben in Samarkand Baudenkmäler errichtet. Es folgt
der Einfall der Uzbeken unter Muhammed Schaibani, einem
Nachkommen Dschingiz Chans, dessen Geschlecht während
des 16. Jahrhunderts die Macht in Transoxanien behält, und
vor allem in Samarkand residiert; sie werden von anderen
Uzbeken-Dynastien abgelöst, bis endlich Rußland ihrer Herr-
schaft ein Ende macht. Am 14. November 1868 wird
Samarkand durch General Kauffmann erobert und dem
russischen Reiche einverleibt.

Technisches (Taf. CX—CXI, CXII—CXIII; Abb. 201—2o5)

Der Welteroberer Timur (i335—1404) ist in Kesch (Schehri
Sebz) in Turkestan geboren. Von seinen Feldzügen, die ihm
das weite Ländergebiet von Delhi bis nach Damaskus und
vom Aral-See bis zum Persischen Golf unterworfen hatten,
kehrte er stets zu längerem oder kürzerem Aufenthalt in seine
Heimat zurück, wo er seinen Geburtsort zum Sommeraufent-
halt, zur eigentlichen Residenz aber Samarkand erwählte. Hier
wurden in der Zitadelle ungeheuere Schätze untergebracht,
die Siegesbeute aus den eroberten Gebieten. Doch auch
Buchara erfreute sich der Gunst des Herrschers. Bekannt ist
das Wort eines Zeitgenossen Timurs, des Haflz, der das
Schönheitsmal auf der Wange seiner Geliebten nicht für den
Reichtum dieser beiden Städte hergeben wollte. Dieses Dichter-
wort beweist, wie die Pracht der Residenzen des Welteroberers
die Phantasie seiner Zeitgenossen erregt hat.

Ähnlich vielen anderen kriegerischen Herrschern des
muhammedanischen Orients war auch Timur bestrebt, den
Glanz seiner Regierung durch die Errichtung von Baudenk-
mälern und durch die Pflege der Künste des Friedens zu
erhöhen. Wir wissen, daß er ,,geübte Ingenieure und geschickte
Baumeister aus allen Provinzen Persiens, des Iraks, Adar-
baidschans, Bagdads und aus anderen Gegenden in die Stadt des
Sultanats (Samarkand)"1) berief, und daß er durch diese Kunst-
handwerker, die zum größten Teil persischer Herkunft waren,
seine Bauten ausführen ließ. Man kann die Architektur Timurs
deshalb direkt als persisch bezeichnen, und persisch ist auch,
wie wir sehen werden, und wie durch die Nennung aus Persien

') Scheref eddin Ali: Geschichte des Timur-Beg. Pers. Ausgabe. I., S. 801 ff.
 
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