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bestimmte Hinweise auf die Umstände des Auftrages enthalten dürfte, steht am Eingang des
Wittenberger Werkes.

Der Holzschnitt nahm jetzt einen raschen Aufschwung. Das Jahr 1506 hebt sich mit acht
datierten Blättern besonders ab, die paarweise aus den geschickten Händen Cranachs hervor-
gegangen scheinen. In ihnen ist nochmals glanzvoll mit Dürer gewetteifert. Es sind für einige
Zeit die letzten Holzschnitte in Dürers Großformat dabei. In der kraftvollen Gestalt des

Tafel 28 heiligen Georg [117] ist die Anregung des heiligen Eustachius von Dürers Paumgartner-Altar

Seite 415 und des zierlichen Kupferstiches aus den Jahren 1502/03 verarbeitet. [118] Die Art, wie Lanze
und Fahne flach an den Bildrand gelehnt sind, ist ein bezeichnendes Beispiel von Cranachs
künstlerischer Gesinnung. Seine Formen bilden oft mehr Ausfüllungen der Bildfläche, sind
nicht im gleichen Maße Erfüllungen einer vorgestellten Wirklichkeit. In diesem Sinne besteht
auch die Landschaft, die den Heiligen bis in Schulterhöhe begleitet, weniger für sich, sondern
als Bühne, auf der die einzelnen Bilder des Drachenkampfes wie Attribute des großen Stand-
bildes erscheinen. Wie verschieden ist diese Lösung von der weitausgebreiteten Landschaft

Tafel 26 unter dem heiligen Antonius aus dem gleichen Jahre [119], die vermutlich eine Ansicht des
Antoniterklosters Lichtenburg bei Prettin wiedergibt. Sie gehört der schrägen Luftfahrt des
Eremiten zu, einem Motiv, das Grünewald später benutzt hat. [120] In den angreifenden
Dämonen lebt Cranachs Lust an phantastischen Zusammenstellungen, an Mischwesen, die den
Zeitgenossen wie Offenbarungen schöpferischer Allmacht vorgekommen sein müssen.
Neben dem ungleichen Paar dieser großen Holzschnitte entstanden drei mittelgroße Blätter,

Seite 25 heiliger Michael [121], heilige Maria Magdalena [122] und Marter des heiligen Erasmus [123],

Tafel 29 und zwei anspruchslosere kleine Blätter, Herr und Dame auf dem Ritt zur Burg [124] und ein
Ritter in der Landschaft [125], der kraftlose Vorbote zu Dürers Ritter, Tod und Teufel von
1513. Cran»chs Begabung erscheint da am stärksten, wo die Auseinandersetzung mit Dürer
auf dem Boden vertrauter Heiligenbilder ausgetragen wird, bei Michael und Maria Magdalena
oder in der freien Erzählung der Qualen des heiligen Erasmus. Die profanen Themen scheinen
ungewohnt, liegen Cranach nur, wenn eine entschiedene Handlung zu schildern ist, wie bei
Tafeln 73, 24 dem Turnier von 1506 [126] oder bei der großen undatierten Hirschjagd. [127] In bilder-
bogenhafter Breite entfaltet sich das Erzählertalent des Künstlers dann. Zu ihm gehört als
ordnende Kraft im Grunde die Farbe, mit der ein früher Abdruck des Turniers wohl von der

Tafel 73 Hand des Meisters zu seinem Vorteil behandelt worden ist. [128] Cranach war viel zu sehr
Maler, wenn auch nicht in dem unbedingten Sinn Grünewalds, als daß ihn Holzschnitt,
Kupferstich und Zeichnung hätten dauernd fesseln können.
Tafeln 32, 33 Das große Malwerk des Jahres 1506 ist der Katharinenaltar [129], nach dem Format zu ur-
teilen ein Gegenstück zu Hans Burgkmairs Altar von 1505 für die Wittenberger Schloßkirche.
[130] Das Hauptmotiv ist der Auseinandersetzung mit dem Holzschnitt Dürers aus der Zeit
um 1497/98 abgewonnen. Auf den Flügeln sind zehn heilige Frauen dargestellt, die der

Tafel 32 Außenseiten paarweise auf dunklem Grund, wie die Heiligen von Dürers Paumgartner-Altar.

Die Dreiergruppen der Innenflügel sind durch den Landschaftshintergrund mit der Mittel-
tafel verbunden. In den besten Gestalten des Mittelbildes lebt die große Haltung des Georg-

Tafel 30 Holzschnittes oder des Doppelblattes vom Landsknecht und dem Mädchen [131], der schön-
sten Parallele zum Katharinenaltar im Holzschnitt. Die Malweise ist überall von seltener Er-
lesenheit, die Farbstimmung hell und klar trotz des über die Richtstätte hereinbrechenden
Gewitters. Es fehlt aber der Grundriß, über dem sich der Reichtum der Tafeln entfalten
könnte. Der Auftrag scheint auch dem Maler eine Vielzahl von Bildnissen aufgezwungen zu

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