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1. TEXTKRITIK UND TEXTGESCHICHTE

Zwei mögliche Verhaltensweisen des Philolo-
gen einer mehrfachen Bezeugung eines Textes gegen-
über sind diese:

- er kann die Textzeugen dazu benutzen, einen dem ur-
sprünglichen Wortlaut des Textes möglichst nahe
kommenden Text zu rekonstruieren;

- er kann die Textzeugen dazu benutzen, die Geschichte
des Textes, d. h. die Verzweigungen und Etappen der
Umgestaltung des Textes im Laufe einer lebendigen
Uberlieferung aufzudecken.

Beide Fragestellungen können unter Umständen

an ein und dasselbe Material herangetragen werden; es

muß dies aber nicht der Fall sein. So haben, um zu

exemplifizieren, die beiden Fragestellungen in der

klassischen Philologie unterschiedliche Objektberei-
i

che . Der Großteil der Handschriften, aus denen der
Wortlaut der klassischen Texte zurückgewonnen werden
kann, stammt aus einer Zeit, in der die lebendige An-
verwandlung der Texte längst durch mechanische Kopi-
stentätigkeit abgelöst worden war. Demgemäß stellt
sich als primäre Aufgabe der Versuch der möglichst weit-

1 Vgl. K. Büchner, in: H. Hunger u. a., Die Textüberlieferung
der antiken Literatur und der Bibel, München 1975 (erste
Ausgabe: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und
mittelalterlichen Literatur I, Zürich 1961), S. 312 - 315;
H. Erbse, in: H. Hunger, op. cit., S. 209 - 214.
 
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