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Die ägyptisch-koptische Sprache und ihre Erforschung
„Neuägyptischen Grammatik“ (Leipzig 1880) legte, war der zwi-
schen den Abschnitten, die in vorliegendem Buch als älteres und
jüngeres Äg. bezeichnet werden (letzteres hieß bei Erman „Neuäg.“,
ersteres „Altäg.“; nach heutigem Sprachgebrauch wären das
Klass.-Äg. [oder Mitteläg.] der typische Vertreter des älteren Äg., das
Neuäg. und Demot. diejenigen für das jüngere Äg.). Eine andere
grundlegende Einsicht war die, daß die äg. Grammatik zweckmäßig
nach dem Vorbild der Grammatiken der verwandten semitischen
Sprachen einzurichten sei. Als Epochenjahr kann hier 1889 gelten,
das Jahr, in dem Erman das äg. Pseudopartizip als Verwandten des
westsemitischen Perfekts erkannte (s. oben § 1.2).
Wie schon gesagt, liegen die Verdienste Ermans und der Berliner
Schule auf der Erarbeitung der Sprache aus den Quellen. Fragen der
sprachwissenschaftlichen Methode spielten eine Rolle im wesentli-
chen nur insoweit, wie sie in die zeitgenössische semitische Schul-
grammatik eingegangen waren, nicht also die der zeitgenössischen
junggrammatischen Schule der Sprachwissenschaft. Wenn die Ar-
beiten der Berliner Schule aus der Rückschau der junggrammati-
schen Schule zugewiesen werden - so durch John B. Callender
und, wenn auch mit leichter Irritation, Hans Jacob Polotsky -, so
ist dies eine perspektivische Verzerrung. Was in der Ägyptologie als
junggrammatisch erscheint, teilt mit der junggrammatischen Schule
in erster Linie den Zeitgeist: die induktive, quellenbezogene Vorge-
hensweise und die diachrone, „historische“ Betrachtungsweise.
Die Leistungen Ermans und der Berliner Schule näher auszufüh-
ren käme fast einer Darstellung der Grundlagen der heutigen äg.
Sprachwissenschaft gleich. Dafür steht vorliegende Einführung als
Ganze. Es seien aber wenigstens einige der Namen genannt, die die
Berliner Schule ausmachen oder noch als Zeitgenossen unter deren
Einfluß standen: allen voran Kurt Sethe, ein Arbeitstier, von des-
sen Materialanhäufungen weite Bereiche der Ägyptologie noch heu-
te profitieren und unter dessen ungesundem Menschenverstand die
Ägyptologie noch heute leidet; Georg Steindorff, von dem unten
in § 2.2.1.2, a) in Zusammenhang mit der „Vokalisation“ des Äg. die
Rede sein wird; Hermann Grapow, der sich vor allem um die Her-
ausgabe des von Erman initiierten großen, des sog. Berliner, „Wör-
terbuchs der ägyptischen Sprache“ (Leipzig bzw. Berlin 1926-1953
sowie ein Zusatzband 1963) große Verdienste erworben hat; schließ-
lich die Engländer Alan H. Gardiner, der mit seiner monu-
mentalen “Egyptian Grammar” (1. Aufl. Oxford 1927) eine Summe
des grammatischen Wissens vorlegte, die bis heute, obwohl in we-
Die ägyptisch-koptische Sprache und ihre Erforschung
„Neuägyptischen Grammatik“ (Leipzig 1880) legte, war der zwi-
schen den Abschnitten, die in vorliegendem Buch als älteres und
jüngeres Äg. bezeichnet werden (letzteres hieß bei Erman „Neuäg.“,
ersteres „Altäg.“; nach heutigem Sprachgebrauch wären das
Klass.-Äg. [oder Mitteläg.] der typische Vertreter des älteren Äg., das
Neuäg. und Demot. diejenigen für das jüngere Äg.). Eine andere
grundlegende Einsicht war die, daß die äg. Grammatik zweckmäßig
nach dem Vorbild der Grammatiken der verwandten semitischen
Sprachen einzurichten sei. Als Epochenjahr kann hier 1889 gelten,
das Jahr, in dem Erman das äg. Pseudopartizip als Verwandten des
westsemitischen Perfekts erkannte (s. oben § 1.2).
Wie schon gesagt, liegen die Verdienste Ermans und der Berliner
Schule auf der Erarbeitung der Sprache aus den Quellen. Fragen der
sprachwissenschaftlichen Methode spielten eine Rolle im wesentli-
chen nur insoweit, wie sie in die zeitgenössische semitische Schul-
grammatik eingegangen waren, nicht also die der zeitgenössischen
junggrammatischen Schule der Sprachwissenschaft. Wenn die Ar-
beiten der Berliner Schule aus der Rückschau der junggrammati-
schen Schule zugewiesen werden - so durch John B. Callender
und, wenn auch mit leichter Irritation, Hans Jacob Polotsky -, so
ist dies eine perspektivische Verzerrung. Was in der Ägyptologie als
junggrammatisch erscheint, teilt mit der junggrammatischen Schule
in erster Linie den Zeitgeist: die induktive, quellenbezogene Vorge-
hensweise und die diachrone, „historische“ Betrachtungsweise.
Die Leistungen Ermans und der Berliner Schule näher auszufüh-
ren käme fast einer Darstellung der Grundlagen der heutigen äg.
Sprachwissenschaft gleich. Dafür steht vorliegende Einführung als
Ganze. Es seien aber wenigstens einige der Namen genannt, die die
Berliner Schule ausmachen oder noch als Zeitgenossen unter deren
Einfluß standen: allen voran Kurt Sethe, ein Arbeitstier, von des-
sen Materialanhäufungen weite Bereiche der Ägyptologie noch heu-
te profitieren und unter dessen ungesundem Menschenverstand die
Ägyptologie noch heute leidet; Georg Steindorff, von dem unten
in § 2.2.1.2, a) in Zusammenhang mit der „Vokalisation“ des Äg. die
Rede sein wird; Hermann Grapow, der sich vor allem um die Her-
ausgabe des von Erman initiierten großen, des sog. Berliner, „Wör-
terbuchs der ägyptischen Sprache“ (Leipzig bzw. Berlin 1926-1953
sowie ein Zusatzband 1963) große Verdienste erworben hat; schließ-
lich die Engländer Alan H. Gardiner, der mit seiner monu-
mentalen “Egyptian Grammar” (1. Aufl. Oxford 1927) eine Summe
des grammatischen Wissens vorlegte, die bis heute, obwohl in we-