Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schlosser, Alfred
Die Sage vom Galgenmännlein im Volksglauben und in der Literatur — Münster i.W., 1912

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68376#0130
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
124

In eoi'ätz äu volsur ports boulloui-. Es mochte die Anschauung
zugrunde liegen, daß eben der Überrest eines Diebes, dessen Hand-
werk nach dem Tode zugunsten des Besitzers fortsetzt. Und da man
im Glauben vom Galgenmännlein einen erblich belasteten und so
mehr oder weniger unschuldigen Dieb gewählt hatte, so konnte auch
das Gewissen nichts dagegen einwenden, wenn das Männlein allerhand
stahl zur Bereicherung dessen, der es, die Seele des gehenkten Diebes,
pflegte. Letztere Anschauung würde allerdings aus einer Zeit stammen,
wo der Hingerichtete nicht mehr so heiligen Charakter hatte, wo man
aber trotzdem noch ganz gerne seine Wohltaten in Empfang nahm.

3. Alrannmännlein — Galgenmännlein als Geweihter und Bild
der Blitz- und TotengvLtin.

Noch eine Erörterung gehört hierher. Wir begegneten soeben
der Sturmwolke als Windsbraut, die in Wodan-Odinns Heer mit-
zieht. Wie neben Zeus die Hera und die Unterweltsgöttin Proserpina
und Demeter erscheint, so tritt als Begleiterin des Feuer- und Wind-
gottes Odinn-Wodan dessen Gemahlin Frija (a^s. ^ri§., lano-ob.
t?rsa, alim. (Mogk.). Sie ist die Windsbraut, mit welcher
der Sturm buhlt, sie ist der dreibeinige Hase auch, der als Sturm-
wolke am Himmel hängt, und der als Windsbraut Hinrichtungen
verursacht, dadurch aber in gewissem Sinne Mutter des Galgen-
männleins wird. Hiermit dürfte vielleicht der Anhaltspunkt gegeben
sein für die Tatsache, daß das Galgenmännlein bald als weibliches,
bald als männliches Wesen zurechtgeschnitzt wurdeZ, gewiß schon des-
wegen, weil es Jünglingen sowohl wie Jungfrauen als Liebeszauber
bewirkendes Amulet dienen mußte, wobei dann jedes von dem Alraun

ß Abgebildet als zweigeschlechtliches Wesen in „Ne xranä üerbioi' en
t'raneaisN Im „^mplntbeatrum Nagiao Universa«) oder Gründlicher, Aus-
führlicher Bericht und Unterricht von den Größesten und Geheimesten Wunder-
Mächten Gottes, als der zwehte Theil oder Anhang zur Na§ia ^aturalis
üobannis Lagtistao cle kortach Nürnberg 1714, sührt der Verfasser im 18.
Buch, i>. 849, die Mandagora an unter den Kräutern, welche „die Männlichen
Geburts-Glieder" bezeichnen, w 851, welche „die Frauen-Scham oder Behr-
Mutter bezeichnen". „Aus solche Weise", fährt der Verfasfer fort, „ist auch
der Albertus angesehen, wann er schreibet, daß der Alraun einen Menschen
gleich sehe und sogar das Geschlecht, es seh eines Männleins oder Weibleins,
vvrstelle", x. 880.
 
Annotationen