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Schlosser, Julius von [Hrsg.]; Rumohr, Carl Friedrich von [Ill.]
Italienische Forschungen: mit der "Beygabe zum ersten Bande der Italienischen Forschungen" u. e. Bildnis — Frankfurt, a. M., 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.23364#0134

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Mögen wir indeß den Gegenftand von den Formen der Darftellung absom
dem, oder, wie die Schönheitslehrer, ihn mit denselben vermengen, so ist er
doch, wie weit oder eng wir ihn nehmen wollen, für Lessings Zwecke, dre
Hervorbringung des Schömn, nimmer von der Bedeutung und Wichtigkeit,
welche ihm noch immer von Vielen beygelegt wird. Zerlegen wir nun ein be-
liebiges Kunftwerk in Auffassung, Darftellung und Gegenftand, sämmtlich Be-
griffe, über welche wir uns bereits verftanden haben; und verglcichen wir diese drey
unerläßlichen Elemente jeglichen Erzeugnisses der Kunst das eine mit dem
andcrn: so werden wir sehen, daß die ersten, die Auffassung und Darftellung,
Thätigkeiten sind; das dritte aber, der Gegcnftand, in seinem Verhältniß zum
Künftler ein durchaus Leidendes. Hieraus folgt, daß der Gegenftand unfähig
sey, sich in Kunftwerken ohne die Hülfe der Auffassung und Darsiellung gel>
tend zu machen. Jede Kunstlehre demnach, welche, weder von der Begeisterung
des Künsilers, noch von seiner Fähigkeit darzusiellcn, vielmehr nur von der
Wahl des Gegenftandes ausgeht, oder gar damit sich begnügt, den Werth, oder
Unwerth der Kunstgegenstände ermitteln zu wollen, ergreift sichllich die Sache
bey ihrem Ende und bleibt daher unumgänglich seicht, unerschöpfend und, in
so fern sie alle Theile der Kunsi in ein falschcs Verhältniß versetzt, auch durch-
hin schief und verkehrt.

Jft nun der Gegenftand unter den Elementen der künstlerischen Hervor-
bringung des Schönen bey weitem das Unwichtigsie, ift es vielmehr nur die
Auffassung und Darftellung, welche in der Kunft unter allen Umständen die
Hervorbringung des Schönen bedingt; so wird auch der Grund wegfallen,
welcher die sogenannte Schönheitstheoric beftimmt, die Wahl des Gegenstandes
mit so großer Aengftlichkeit ;u bewachen. Versuchen wir ;u ermirteln, auf
welche Weise jenes an sich selbft so menschliche und billige Verlangen nach
Schönem auch bey weitester Ausdehnung des Gebietes künstlerischer Beziehungen
noch immer befriedigt werden könne.

II.

Verhältniß der Kunst zur Schönheit

Griechen ihrer beften und glücklichften Zeit, oder die Jtaliener bes sechzehn-
ten Jahrhunderts (also eben solche Völker und Zeitgenossen, deren Geiftes-
werke bekanntlich den feinsien und sichersten Schönheitssinn darlegen), begnügteu
sich mit dem allgemeinsten Schönheitsbegriffe und zeigten wenig Verlangen, ihre

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