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Schlosser, Julius von [Hrsg.]; Rumohr, Carl Friedrich von [Ill.]
Italienische Forschungen: mit der "Beygabe zum ersten Bande der Italienischen Forschungen" u. e. Bildnis — Frankfurt, a. M., 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.23364#0541

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XV

UeberRaphaelvonUrbinounddessennähere

Zeitgenossen

l. Was Raphael vor allen neueren Künstlern
auszeichnet

^^bwohl ftit etwa dreihundert Jahren in den gestaltenden Künsten verlockende
Theorieen und blendende Erscheinungen unablässig die eine die andere
verdrängt haben, nirgend ein sicherer Gcschmack gegen die vorwaltende Neigung
zum Neuen und Wechselndcn sich behaupten konnte, so erhielt sich dcnnoch im Vcr-
laufe dieser Zeit eine gewiffe unentschiedene Meinung von dem überlegenen Ver-
dienste Raphaels, wurden seine Werke von denen, welche vom Copiren sich Nutzen
versprcchen, stets als besonders musterhaft anempfohlen. Jn dicsem Beginncn
der ästhetischen Praxis licgt ein Widcrspruch, welcher allein aus dem Kampfe des
Gefühls gegcn den machtvollen Einfluß theoretischcr Richtungen zu erklären ist.

Diesen letzten hielt bey den Alten das lebendigste, richtigste Gefühl völlig
die Wage. Die neuere Bildung hingegcn begünstigt in Dingen des Geschmackes
den Einfluß jeglicher, den Anschein eines methodischen Fortschreitens bewah-
renden Doctrin. Bey jenen blieb das Urtheil übcr die größcren Künstler unam
gefochtcn, wcil für deren sehr zugängliche Werke das Gefühl immerfort Zeug-
niß ablcgte. Unter uns aber, wo sogar in der Sprache die lebendige Modulation
mündlichcr Mittheilung durch Schrift und Druck zurückgedrängt, die unmittel-
bare Anschauung geisivoller Kunsterzeugnisse durch den Kupfersiich ersetzt wurde,
gelangten Viele, welche den unmittclbaren Erzeugnissen des Geistes gegenüber
verstummen, weil für das Ueberschwengliche das Maaß ihnen versagt ist, doch
dahin, des ästhetischen Materiales gleichsam im Auszuge sich zu bemächtigcn,
durch Umfang der Kunde und Belesenheit sich geltend zu machen; wohingegen
über die ächten Kunstwerke, bey deren weiter Verstreuung, nur Wenige ein
sicheres und selbsiständiges Urtheil sich bildeten. So konnten, in den letzten Jahr-
hunderten, Theoricen, deren consequente Anwendung das Vortreffliche herab-
fttzen, hingegen das Geringe und Schlcchte hervorheben würde, doch, gegen die

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