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Schmarsow, August
Beiträge zur Ästhetik der Bildenden Künste (Band 2): Barock und Rokoko: eine kritische Auseinandersetzung über das Malerische in der Architektur — Leipzig, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.15253#0307
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Frankreich

297

Architektur dem wissenschaftlichen Studium des
Yitruv und seiner Ausleger oder dem praktischen
Vorbild italienischer Klassicisten mehr verdankt, als
dem lebendigen Zusammenhang mit den Aufgaben
daheim. Und wo immer 'die eigene Kraft nationalen
Lebens sich regt, wo künstlerische Triebe mit diesen
erlernten Formen in Widerspruch geraten, da drän-
gen sie der nordischen Gesinnung folgend in die
Richtung der flandrischen Malerei, als deren Vor-
kämpfer Rubens erschienen war. Das bedeutete nicht
einmal einen Bruch mit der Neigung zur romanischen
Kultur, keine Abwendung von den anerkannten Bil-
dungsstätten Italiens; dafür bürgte der Name der
Königin Witwe, davon zeugte die Kunst des grossen
Historienmalers selber, die von klassischer Gelehr-
samkeit durchdrungen, dem plastischen Ideal so völ-
liges Genüge bot.

Dieser Gemäldecyklus gab mit seiner hinreissen-
den Gestaltenfülle das Beispiel eines so unerschöpf-
lichen Vermögens, eines so unbezweifelbaren Trium-
phes nordischer Begabung, die alle Mittel südlicher
Kunst sich zu eigen gewonnen und als Gebieterin
der Welt einhergieng, dass sein Vorhandensein in
Paris genügte, um den französischen Geistern keine
Ruhe zu lassen. Zum Wettstreit mahnend, trieb das
lieispiel dieses Antwerpeners die Künstler Frank-
reichs über die Alpen. Ja, noch mehr, der junge
Königssohn, der die Geschicke ferner bestimmen
sollte und als Erbe dieser Legende des Luxembourg
aufwuchs, Ludwig XIV. selbst, hat nirgend anders
das Ideal seines Dichtens und Trachtens so lebendig
 
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