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protestantisch waren. Infolge des Umstands aber, daß der Vertrag, der doch für das ganze Reich
bindend sein sollte, allein zwischen Sachsen und dem Kaiser abgeschlossen, den übrigen Reichs-
ständen dagegen nur zur Annahme oder Ablehnung vorgelegt wurde, was vor allem die weiteren
Verhandlungen mit Brandenburg verhinderte, erwieß sich das ganze Verfahren als ein ungesetz-
liches, gegen die Reichsverfassung verstoßendes. Der Kaiser nutzte denn auch die Vereinzelung
Sachsens gründlich aus, um seit dem März 1635 in’den Friedensverhandlungen zu Prag die
Bedingungen für die Protestanten immer drückender zu gestalten, wobei Sachsen allein, als Dank
für die bisher geleistete Hilfe, besser behandelt wurde.
In Prag wurde ein ganz neuer Entwurf vorgelegt, der in nicht weniger als 62 Punkten zu
Ungunsten der Protestanten abgeändert war. Als der Friede dort nach mehr als zweimonatigen
Verhandlungen am 30 Mai geschlossen wurde, enthielt er im wesentlichen die folgenden Punkte,
die zumeist einen weiteren Eingriff in die Reichsverfassung darstellten, indem sie dem Kaiser eine
bisher nicht bestehende überwiegende Stellung’gegenüber den Reichsständen einräumten.
Die säkularisirten geistlichen Güter nach dem Besitzstände von 1627 sollten den Protestanten
zunächst nur auf 40 Jahre verbleiben, worauf neu darüber zu beschließen wäre,- Sachsen dagegen
behielt die seinigen auf fünfzig Jahre und zwar nach dem Besitzstand von 1620. Außerdem wurden
ihm die beiden Lausitzen erblich verliehen. Schlesien blieb von dem Frieden ausgeschlossen, wo-
durch dort wie in Böhmen die Protestanten der Willkür des Kaisers preisgegeben blieben. Die
Reformirten (die in den Pirnaer Vertrag noch einbegriffen gewesen waren) waren freilich nirgends
förmlich ausgeschlossen, aber auch nirgends völlig anerkannt, somit im Grunde gleichfalls preis-
gegeben,- das galt vor allem von dem ganzen Pfälzer Hause, das von der Amnestie ausgeschlossen
blieb. Vor allem wurde eine ganz neue Kriegs Verfassung geschaffen, indem die Reichsstände, ohne
Rücksicht darauf ob sie katolisch oder protestantisch seien, ein Reichsheer von 80000 Mann auf-
zubringen hatten, das unter dem Oberbefehl des Kaisers und zu einem Viertel dem des Kurfürsten
von Sachsen, und zwar für beide erblich in ihrer Linie, stehen sollte (im Juni 1637 übernahm
auch Brandenburg die Führung eines Teils dieses Reichsheeres). Zum LInterhalt des Heeres
sollten die beitretenden Reichsstände (die dadurch ihr Recht der Genehmigung oder Verweigerung
verloren) jährlich insgesamt 120 Römermonate beisteuern und ihre bisherigen Kräfte dem Kaiser
zur Verfüngung steifen, mit Ausnahme der Besatzungen in ihren befestigten Plätzen. Die Stände
sollten fortan keinerlei Bündnisse (Ligen oder LInionen) unter einander schließen dürfen, außer
den in der Reichsverfassung vorgesehenen (wie Erbverbrüderungen und dergl.). Die nicht dem
Frieden beitretenden Mächte und Stände aber sollten gewaltsam zum Beitritt gezwungen werden.
Sachsen unterzeichnete diese Bedingungen mit Ausnahme der Schlesien und die von der
Amnestie ausgeschlossenen Reichsstände betreffenden Punkte,- Arnim verließ darauf den säch-
sischen Dienst und trat in den brandenburgischen ein. Innerhalb der zwei folgenden Monate trat
notgedrungen die Mehrzahl der deutschen Stände diesem Frieden bei, zuletzt Lüneburg, die Erne-
stiner und am 8 August auch Brandenburg, so daß nun die beiden wichtigen sächsischen Kreise
gewonnen waren. Damit fiel für Sachsen die Gefahr fort, durch einen Zusammenschluß Branden-
burgs mit den Schweden unter Baner erdrückt zu werden. Durch eine kaiserliche Entschließung
vom 9 Oktober übernahm der Kurfürst Max von Baiern die Führung des bisherigen Ligaheeres,
das ein Viertel der Reichsmacht darstellte. Einige Reichsstädte, wie Straßburg, blieben abseits,-
der kalvinistische Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel schloß am 21 Oktober 1636 einen Vertrag
mit Frankreich, wodurch er eine selbständige Armee von 10000 Mann unterhalten konnte, für
die er ein jährliches Hilfsgeld von 200000 Talern erhielt,- als er am 1 Oktober 1637 starb setzte
seine Witwe Amalie diese Politik fort.
35. DIE VORBEREITUNG DES WESTFÄLISCHEN FRIEDENS
Am 11 Juni 1645 hatten Frankreich und Schweden ihre ersten noch unvollkommenen Frie-
densvorschläge den kaiserlichen Gesandten zugestellt. Darauf wurden am 29 August 1645 sämt-
liche am Reichstag stimmberechtigten Stände vom Kaiser zur Beteiligung an den Friedensverhand-

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