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worden sind, zu fein und zu bedeutungsvoll für die Zukunft gewesen seien um kurz zusammen»
gefaßt werden zu können: das müsse einer eingehenden besondren Darstellung vorbehalten
werden, die leider auch seitdem nicht unternommen worden ist. Er wäre gerade der rechte Mann
gewesen um die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges in derselben glänzenden Weise zum Ab»
Schluß zu bringen wie er am Anfang die Verhältnisse seit dem Augsburger Religionsfrieden ge»
schildert hat.

36. DIE ERFURTER WIRREN
In der zu Kurmainz gehörenden Stadt Erfurt war seit 1659 ein Zwiespalt zwischen dem
protestantischen Rat und der Volkspartei entstanden. Der Rat wollte sich von Mainz ganz frei»
machen und rief den Beistand seines Schutzherrn Sachsen an, der jedoch ohne Nachdrude blieb.
Mainz, das auf den Beistand Frankreichs rechnen konnte, wurde durch die Schweden, aber auch
durch den Kaiser gestützt,- infolgedessen gelang es ihm die Achtserklärung gegen Erfurt zu er»
wirken und mit deren Vollstreckung betraut zu werden. Als die Wirren 1663 ihren Höhepunkt
erreichten und am 30 November mit der Enthauptung Limprechts, des Führers der Volkspartei,
ihren vorläufigen Abschluß fanden, brachte zu Ende des Jahres der Kurfürst von Mainz es durch
seinen Rat Reiffenberg dazu daß Johann Georg mit ihm, ohne Vorwissen seiner Brüder und der
ernestinischen Vettern, ja selbst hinter dem Rücken seiner Räte, den Vertrag von Torgau schloß,
worauf Sachsen mit der Mitexekution betraut ward, die jedoch zunächst noch hinausgeschoben
wurde. Zu solchem Zweck mußte die Truppenzahl auf 3200 Fußsoldaten und 1000 bis 1200
Reiter verdoppelt werden, wobei als Vorwand der Schutz des Elsasses dienen sollte. Um sich
dafür französische Subsidien zu sichern trat Johann Georg zu Anfang des folgenden Jahres mit
Frankreich in Beziehungen, die im Sommer dazu führten daß Ludwig XIV dem Kaiser, den Kur»
fürsten und Fürsten des Deutschen Reiches von seiner Absicht Mitteilung machte Mainz zu unter»
stützen. Frankreich wollte 4000 Fußtruppen und 2000 Reiter senden, was mit den Mainzer
Truppen 18000 Mann ergab, und schickte sie tatsächlich durch Hessen nach Türingen. Darauf
sandte Sachsen am 2 September 1664 drei Kompagnien Reiter und die Leibgarde nach Erfurt, die
jedoch in den ihm gehörenden Vorstädten liegen blieben, da der Kurfürst erklärte nur gekommen
zu sein »um den Besitz seines Flauses zu sichern«. Beim Kaiser suchte er, wenn auch vergeblich,
weitern Aufschub der Exekution zu erwirken, da er hoffte mit dem Kaiser, Brandenburg und
Baiern ein Gegengewicht gegen den Rheinbund bilden zu können,- die evangelischen Stände beim
Reichstag waren überhaupt der Exekution abgeneigt, drohten vielmehr, wie Braunschweig, mit
der Bildung eines protestantischen Gegenbundes. Einer Abordnung der Erfurter, welche Ende
August zum Kurfürsten nach Chemnitz gekommen war, versprach er wohl Hilfe, handelte jedoch
nicht danach, sondern schloß vielmehr am 17 September mit dem französischen Gesandten Gravel
der von Regensburg insgeheim nach dem Schloß Osterstein bei Zwickau gekommen war, einen
Geheimvertrag, der im Januar des folgenden Jahres ratifizirt wurde und Sachsen durch die Ver»
pflichtung, einen ganz von Frankreich abhängigen besonderen Geheimen Rat neben dem fortbe»
stehenden gewöhnlichen zu bilden, zum Vasallen dieses Landes machte. Frankreich verriet dieses
Verhalten der Schweden, um den Kurfürsten um so fester in Abhängigkeit zu halten. Am
15 Oktober wurde Erfurt nach vierwöchiger Belagerung erobert und erhielt den mainzer Rat
Reiffenberg zum Statthalter,- Sachsen verzichtete auf sein Erbschutzrecht über Erfurt,- ein Jahr
später taten die Brüder des Kurfürsten ein Gleiches. 1667 wurde die Sache dadurch beendigt daß
Mainz im Vertrag von Schulpforta an Sachsen für die geleistete Hilfe über 100000 meißner Gulden
zahlte und dazu eine Forderung an die Stadt über 50000 Gulden überließ, dafür aber die bisher
sächsischen Vorstädte behielt.
(Auerbach (Anm. 292) 178, 250,- über die Vorgeschichte der Erfurter Wirren siehe K. G.
Helbig, Joh. Phil. v. Mainz und Johann Georg von Sachsen während der Erfurter Wirren, im
A. 3 <1865) 391 fgg.)

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