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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 2): Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — München: Bruckmann, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.66815#0105
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Keramik. Gefässtheile.

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aber anders charakterisirt, nicht als Abschluss des Gefässes nach unten,
sondern als Endigung nach oben, daher wie ein aufwärts gerichteter
Blätterkelch (desshalb corona, Stephane), mehr oder weniger überfallend
(als supercilium), und so die feinsten Nüancen des Ausdrucks zwischen
leichtem Tragen und schwerster Belastung zulassend. Er tritt entweder
in unmittelbare Verbindung mit dem obersten Kesselrande und identificirt
sich mit ihm (siehe Figur auf S. 90), oder er fasst den Kessel tiefer
unten, näher dem Boden (siehe Figuren S. 13 und 15). Ein scharfer
Unterschied trennt beide Auffassungen, der die Art des Dreifusses cha-
rakterisirt. Mancherlei Uebergangsformen zeigen auch hier den Reich-
thum der Kunstsprache, die jegliche Nuance
durch leichte Beugungen seines Wurzelausdruckes
wiedergibt. Oft hat der eigentliche Kessel,
der bewegliche, für sich bestehende, einen
Repräsentanten, der mit dem Kranze des
Dreifusses zusammen eine Höhlung bildet, zur
Aufnahme des ersteren, der solcherweise Em-
blema ist. Derartig sind die assyrischen Drei-
füsse, z. B. der steinerne in dem Museum des
Louvre, dem andere auf Reliefs dargestellte ent-
sprechen (siehe Figur S. 20). Anklänge des
Themas, ehe dieses volle Entwicklung erhält,
wie der hier bezeichnete, dienen, in den bildenden
Künsten wie in der Musik, nicht weniger zur
besseren Verbindung der formalen Theile zu
einer Gesammtwirkung, als überhaupt zur richtigen Verwerthung und
Betonung des Motivs.
Das Untergerüst des Kessels beherrscht entweder den letzteren
durch Höhe und formale Bedeutung, oder der Kessel überwiegt.1 Ent-
schiedenheit in dieser Beziehung ist Regel, die jedoch nach Umständen
Ausnahmen zulässt, so dass ein Gleichgewicht zwischen beiden genannten
Elementen des Dreifusses rathsam wird.
Oft verbindet sich der Dreifuss mit einem mittleren Säulenstand
(omphalos), der das (schwere) Gefäss in der Mitte des Bodens stützt. Bei
dem delphischen Dreifuss hatte er mystische Bedeutung. Diese Kom-
bination, die zumeist an steinernen Dreifüssen vorkommt, am pracht-
vollsten auf dem Dache des choragischen Monumentes des Lysikrates zu

eines formalen Begriffs

Kandelaberähnlicher üntersatz.
(Berl. Mus.)


1 Vergl. die Figuren S. 13 unten, 15, 20 unten, 34 unten, 86 rechts.
 
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