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Siebentes Hauptstück.
verhüllter und vergeistigter Ausdruck der gleichen Idee in der griechischen
Kunst durch das frei sich anschmiegende vegetabilische Voluten- und
Ranken werk, das organische Blattprofil, die Kyma, Repräsentantin der
leicht tragenden, sich unter der Last bäumenden Meereswoge.
Horizontale Träger dieser Art erinnern in ihrer dynamischen Thätig-
keit an das stützende Dreieck mit seinem Angriffspunkte, wovon bereits
oben in der Anmerkung zu Seite 209 die Rede war. Als horizontale
Stützen der Hängeplatte des griechischen Gebälkes hiessen sie Simms-
träger oder Simmsfüsse (Geisiphoren, Geisipoden).
Vertikale Ausläufer, denen eine dienende Thätigkeit beizulegen ist,
nämlich Stützen und Füsse, sind theils von oben durch die Belastung,
theils von unten durch die Unterlage, den Boden, in reagirende Thätigkeit
versetzt. Dieses und das Aufrechtfussende und zugleich das Aufrecht-
aufnehmende, was sie enthalten, sind eben so viele Anhaltepunkte bei
ihrer formalen Behandlung. Sie sind das Hauptthema des Zunächstfolgenden.
Vergl. über sie auch in der Keramik §. 110 über die Vasenfüsse.
§. 137.
Das Stützwerk.
Konsequenz bei Durchführung eines Systemes führt zuweilen auf
scheinbare Widersprüche, die das eingeschlagene Verfahren rechtfertigen,
statt es zn verurtheilen.
Diess scheint sich auch hier zu bewahrheiten, indem wir, nach
§. 131, das tektonische Stützwerk für sich, und hernach erst im Zu-
sammenwirken mit dem Gestützten zu besprachen hätten. Es zeigt sich
nämlich, dass jedes Stützwerk in sich selbst schon ein solches Zusammen-
wirken stützender und gestützter Theile enthält und ausdrückt, und
dass diese innere Vollständigkeit auf struktiv-formalen Gründen beruht,
die im ästhetischen Sinne gefasst und weiter ausgebildet werden.
Der Künstlersinn macht nämlich aus den gestützten Bestandtheilen
Repräsentanten und gleichsam Vorboten der wirklichen Last, ertheilt so
dem Gestelle eine gewisse innere Vervollständigung und bildet es zu
einer in sich abgeschlossenen Kunstform aus. Ihre einheitliche Verbin-
dung mit der äusser ihr seienden wirklichen Last wird getragen und
befestigt eben durch jene vermittelnden Repräsentanten der letzteren,
innerhalb des Stützwerkes.
w
Siebentes Hauptstück.
verhüllter und vergeistigter Ausdruck der gleichen Idee in der griechischen
Kunst durch das frei sich anschmiegende vegetabilische Voluten- und
Ranken werk, das organische Blattprofil, die Kyma, Repräsentantin der
leicht tragenden, sich unter der Last bäumenden Meereswoge.
Horizontale Träger dieser Art erinnern in ihrer dynamischen Thätig-
keit an das stützende Dreieck mit seinem Angriffspunkte, wovon bereits
oben in der Anmerkung zu Seite 209 die Rede war. Als horizontale
Stützen der Hängeplatte des griechischen Gebälkes hiessen sie Simms-
träger oder Simmsfüsse (Geisiphoren, Geisipoden).
Vertikale Ausläufer, denen eine dienende Thätigkeit beizulegen ist,
nämlich Stützen und Füsse, sind theils von oben durch die Belastung,
theils von unten durch die Unterlage, den Boden, in reagirende Thätigkeit
versetzt. Dieses und das Aufrechtfussende und zugleich das Aufrecht-
aufnehmende, was sie enthalten, sind eben so viele Anhaltepunkte bei
ihrer formalen Behandlung. Sie sind das Hauptthema des Zunächstfolgenden.
Vergl. über sie auch in der Keramik §. 110 über die Vasenfüsse.
§. 137.
Das Stützwerk.
Konsequenz bei Durchführung eines Systemes führt zuweilen auf
scheinbare Widersprüche, die das eingeschlagene Verfahren rechtfertigen,
statt es zn verurtheilen.
Diess scheint sich auch hier zu bewahrheiten, indem wir, nach
§. 131, das tektonische Stützwerk für sich, und hernach erst im Zu-
sammenwirken mit dem Gestützten zu besprachen hätten. Es zeigt sich
nämlich, dass jedes Stützwerk in sich selbst schon ein solches Zusammen-
wirken stützender und gestützter Theile enthält und ausdrückt, und
dass diese innere Vollständigkeit auf struktiv-formalen Gründen beruht,
die im ästhetischen Sinne gefasst und weiter ausgebildet werden.
Der Künstlersinn macht nämlich aus den gestützten Bestandtheilen
Repräsentanten und gleichsam Vorboten der wirklichen Last, ertheilt so
dem Gestelle eine gewisse innere Vervollständigung und bildet es zu
einer in sich abgeschlossenen Kunstform aus. Ihre einheitliche Verbin-
dung mit der äusser ihr seienden wirklichen Last wird getragen und
befestigt eben durch jene vermittelnden Repräsentanten der letzteren,
innerhalb des Stützwerkes.
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