Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 2): Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — München: Bruckmann, 1879

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.66815#0295
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Tektonik. Technisch-Historisches.

281

nachzuweisen; doch mag uns hier weit mehr asiatische Ursprünglichkeit

entgegentreten als gewöhnlich angenommen wird.

Der Umstand, dass in alten Sagen das
Schnitzwerk mit Teppichen verglichen wird,
führt auf die oft schon hervorgehobene Stil-
verwandtschaft beider Kunstbethätigungen zu-
rück, gibt zugleich Zeugniss von dem Tep-
pichluxus der Häuser und geweihten Orte.1
Der Fussboden war nur aus gestampftem
Lehme gebildet und mit Stroh oder Binsen
bestreut; aber an Festen wurde er mit Tüchern
belegt und die Wände erhielten köstliche Um-
hänge, gewöhnlich dunkelblaue, aber auch
köstlichere mit eingestickten Schilder eien; alte
■ Geschichtsdarstellungen und Heldengestalten,
die aus den kunstfertigen Händen der Frauen
hervorgingen. 2 Nach Einführung des Christen-


Plan der Kirche zu Borgund,
nach Dahl.

thums treten an die Stelle der nationalen

Stickerei die byzantinischen Heiligenbilder. Dieser Gewandluxus erstreckt
sich auch auf die Möbel, auf Betten, Bänke und Stühle, sowie später auf
die Kleidung.

1 Der Teppich von Bayeux, ächt nordische Stickerei dieser Art, obschon etwas
späterer Zeit angehörig und unter dem Einflüsse fränkischer Civilisation entstanden.
2 Vergl. vornehmlich Dahl, Denkmale etc. — Guimard, voyages en Scandinavie,
en Laponie etc. — (ein Werk, das ich nicht benützen konnte). Die' Aufsätze von
Nicolaysen in den Veröffentlichungen des Vereins zur Erhaltung der norwegischen
Denkmäler zu Ghristiania. Der (beistehende) Plan der Kirche zu Borgund würde der
des altnordischen Dynastensaales sein, wenn die Seiteneingänge, statt in das Innere der
Kirche, in einen Holm oder Vorbau führten, der allerdings auch in dem westlichen
Vorbau gleichsam latent enthalten ist. Sogar die atriale Einrichtung des Daches äussert
sich noch in dem Dachreuter mitten auf dem Hauptdache, der als eine spätere Um-
bildung des ursprünglichen Motives (einer Lichtöffnung im Dache) zu betrachten ist.
Alle Erkerfenster sind, wie behauptet wird, spätere Einrichtung. Somit ist es wahr-
scheinlich, dass die ursprüngliche Beleuchtung vom Dache einfiel.
 
Annotationen