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Achtes Hauptstück.
nicht selten und zweitens steht der Fall in der Kunstgeschichte nicht
vereinzelt da, dass der Bogen früher als rein dekorative Form auftritt,
ehe er Ausdruck oder Nachahmung einer gleichgeformten Gewölbkonstruk-
tion wird.1
Die Idee liegt gar nicht fern, nichts ist leichter, als das Ausschneiden
oder Verschalen eines mit Winkelbändern gesteiften Holzsturzes in
Bogenform.
Aber eingeräumt, letztere sei fremdes Element, so bleibt die weit-
säulige, niedrige Holzlaube der nordischen Holzkirchen als räumliches
Motiv immerhin unbestreitbares Eigenthum des Nordens.
Auch sonst mag der Einfluss einer sehr ausgebildeten und frühen
Holzarchitektur auf die Steinarchitektur der Nordländer nachweisbar sein;
wie wir z. B. schon auf die unverkennbare Mischung antiker und nordi-
scher Elemente in dem romanischen Zierrathe hingewiesen haben.2
§. 152.
Fachwerksgebäude des Mittelalters.3
Es gibt im Grunde nur drei Systeme des Gebäudekonstruirens in
Holz; nämlich erstens das bereits beschriebene sog. Reiswerk, horizontale
Rahmen und aufrechte Säulen mit dazwischen gespannten Spundwänden,
aus Brettern oder Bohlen (Pfosten), die bald horizontal, bald vertikal
gefügt und in einander gespündet sind. Diess System ist das asiatisch-
chinesische und wohl auch dasjenige, welches nach indo - germanischer
Bauüberlieferung als das älteste (ursprünglichste) zu betrachten ist.
Reminiscenzen daran sind erkenntlich an den Steinfacaden der ältesten
Gräber Aegyptens und an den mosaikbekleideten Erdwänden der chal-
däischen und assyrischen Burgen. (Vergl. §. 69 u. 75 des ersten Bandes.)
Die ursprünglichste aller Hütten, wie die oben S. 263 mitgetheilte karai-
bische, gehört schon diesem Systeme an, wenn man das zwischen die
Säulen gespannte Mattengeflecht für die Spundbretter setzt.
1 In Indien und an den ältesten ägyptischen und vorhellenischen Monumenten.
2 Auffallend ist in dieser Beziehung das Beispiel eines in Stein ausgeführten
Fachwerks an dem angelsächsischen Thurme zu Earls Barton in Northhamptonshire-
(Schnaase, Gesch. d. b. K. IV. 2. S. 383.)
3 Vde. Details of Ancient Timber Houses of the 15th and 16th centuries, selected
from those existing at Rouen, Caen, Abbeville, Strasburg etc. by A. W. Pugin. 4°.
Lond. 1836.
Achtes Hauptstück.
nicht selten und zweitens steht der Fall in der Kunstgeschichte nicht
vereinzelt da, dass der Bogen früher als rein dekorative Form auftritt,
ehe er Ausdruck oder Nachahmung einer gleichgeformten Gewölbkonstruk-
tion wird.1
Die Idee liegt gar nicht fern, nichts ist leichter, als das Ausschneiden
oder Verschalen eines mit Winkelbändern gesteiften Holzsturzes in
Bogenform.
Aber eingeräumt, letztere sei fremdes Element, so bleibt die weit-
säulige, niedrige Holzlaube der nordischen Holzkirchen als räumliches
Motiv immerhin unbestreitbares Eigenthum des Nordens.
Auch sonst mag der Einfluss einer sehr ausgebildeten und frühen
Holzarchitektur auf die Steinarchitektur der Nordländer nachweisbar sein;
wie wir z. B. schon auf die unverkennbare Mischung antiker und nordi-
scher Elemente in dem romanischen Zierrathe hingewiesen haben.2
§. 152.
Fachwerksgebäude des Mittelalters.3
Es gibt im Grunde nur drei Systeme des Gebäudekonstruirens in
Holz; nämlich erstens das bereits beschriebene sog. Reiswerk, horizontale
Rahmen und aufrechte Säulen mit dazwischen gespannten Spundwänden,
aus Brettern oder Bohlen (Pfosten), die bald horizontal, bald vertikal
gefügt und in einander gespündet sind. Diess System ist das asiatisch-
chinesische und wohl auch dasjenige, welches nach indo - germanischer
Bauüberlieferung als das älteste (ursprünglichste) zu betrachten ist.
Reminiscenzen daran sind erkenntlich an den Steinfacaden der ältesten
Gräber Aegyptens und an den mosaikbekleideten Erdwänden der chal-
däischen und assyrischen Burgen. (Vergl. §. 69 u. 75 des ersten Bandes.)
Die ursprünglichste aller Hütten, wie die oben S. 263 mitgetheilte karai-
bische, gehört schon diesem Systeme an, wenn man das zwischen die
Säulen gespannte Mattengeflecht für die Spundbretter setzt.
1 In Indien und an den ältesten ägyptischen und vorhellenischen Monumenten.
2 Auffallend ist in dieser Beziehung das Beispiel eines in Stein ausgeführten
Fachwerks an dem angelsächsischen Thurme zu Earls Barton in Northhamptonshire-
(Schnaase, Gesch. d. b. K. IV. 2. S. 383.)
3 Vde. Details of Ancient Timber Houses of the 15th and 16th centuries, selected
from those existing at Rouen, Caen, Abbeville, Strasburg etc. by A. W. Pugin. 4°.
Lond. 1836.