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Tektonik. Technisch-Historisches.

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neten malerisch räumlich-architektonischen Prinzips. Dasselbe feiert einen
zweiten Sieg in dem Kuppelbau der Renaissance; — letztere aber lässt,
auffällig genug, im Civilbau dasselbe beinahe gänzlich fallen; wenigstens
gilt diess von den Palastbauten der italischen Hauptstädte des XVI. und
XVII. Jahrhunderts. Selbstverständlich musste im Süden das malerische
Element in der Baukunst ganz andere Verbindungen eingehen als im
Norden — aber immerhin haftet an der Palastarchitektur der Renaissance
in dieser Beziehung ein Mangel. Die französische Renaissance sucht ihn,
freilich oft auf Kosten der Ruhe und Grösse, nach ihrer Weise auszu-
füllen.
Dennoch ist diese Aufgabe der Architektur weder durch die ange-
führten Beispiele noch sonst vollkommen erfüllt und bleibt deren Lösung
der Zukunft vorbehalten. —
Jene kölnischen Kirchen, Sta. Maria vom Capitol, Sti. Apostoli,
St. Gereon, St. Martin und was diesem Verwandtes am Rheine und sonst
im Bereiche der alten karolingischen Herrschaft bestand oder noch besteht,
sind Abkömmlinge und lapidarische Ausdrücke einer architektonischen
Idee, die schon in den hölzernen Kirchen der nordischen Heidenbekehrer
deutlich enthalten war, auf deren Stelle sie nach dem Schlüsse des ersten
Jahrtausends errichtet wurden.1
Wir gehen weiter und sehen in manchen charakteristischen Details
des niederrheinisch - romanischen Stils den unmittelbaren Einfluss der
Holzkonstruktion und gewisser Eigenthümlichkeiten der altnordischen
Holzarchitektur. Z. B. erscheinen uns die niedrigen, von Holzbalüstern
gestützten und halb verschlossenen Lauben oder Laufgänge der nordischen
Kirchen nicht als Nachbildungen byzantinischer oder romanischer Arkaden-
gallerien, sondern umgekehrt letztere, wie sie am Rhein und in dem
lombardischen Oberitalien am häufigsten und wohl auch am frühesten
vorkommen, als durch jene motivirt. Die niedrige weitgestellte Stütze
entspricht durchaus dem Holzstile, kennzeichnet sich als ihm angehörig
schon auf ägyptischen Darstellungen ältester Holzkolonnaden.
Zwar liesse sich die Bogenform, wie sie an den nordischen Holz-
konstruktionen häufig vorkommt, hiergegen aufführen als Zeugen des
romanischen oder byzantinischen Einflusses bei der Entstehung dieser
hölzernen Gallerien, aber erstens sind auch Lauben mit graden Architraven
1 Treuere Ausdrücke dieser Vorbilder als der Aachener Dom und die anderen
ihm entsprechenden Werke aus der Zeit der antikisirenden und byzantini-
sirenden fränkischen Kaiser, die im Wesentlichen allerdings auch der gleichen Idee
entsprechen.
 
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