Tektonik. Technisch-Historisches.
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gelegten Arbeit auf Holz, besonders auch beeinflusst durch die Metallo-
te chnik, der jene der Frührenaissance eigenen Schärfen und Feinheiten
zunächst angehören, der sie natürlich und stilgerecht sind. Die ohnediess
alttraditionelle Anwendung des Metalls zu Geräthen fand besonderen Vor-
schub durch die damals auf den Gipfel getriebene Kultur der Schutz-
waffen, in Folge welcher die Waffenschmiede Italiens (vornehmlich Lom-
barden) dahin gelangten, mit ihrer Kunst die orientalische, ja selbst die
antike Metallotechnik zu überbieten; Reichthum der Erfindung, Freiheit
und Meisterschaft in der Verwerthung aller dekorativ-formalen Hülfs-
mittel des Metalls, Vollkommenheit der technischen Ausführung vereinigen
sich in ihren Arbeiten mit dem ausgesuchtesten Geschmack und der
aller strengsten Stilgerechtigkeit.
Ueber sie und ihre Werke wird noch in der Metallotechnik zu reden
sein; hier sei nur bemerkt, dass sie die eigentlichen Erfinder der Re-
naissancearabeske sind, in der sich das orientalische Laubwerk und Muster
mit dem griechischen Akanthus so anmuthsvoll vermählt. So erlangte
das antike Bekleidungsprinzip plötzlich und von selbst (durch die Ver-
mittlung des Eisenkleides) wieder seinen uralten Einfluss, in der That
eine sehr merkwürdige Erscheinung in der Kunstgeschichte.
Das XVI. Jahrhundert war zu sehr monumentalen Charakters, dass
nicht die Kleinkünste, deren Blüthezeit das XV. Jahrhundert war, den
überwiegenden Einfluss der nun selbstständig gewordenen höheren Malerei
und Skulptur, vornehmlich aber der Monumentalarchitektur zu ihrem
Nachtheil erfahren mussten, wie dieses zu allen Zeiten der höchsten
Kunstbildung der Fall war. Doch war diese Abhängigkeit ein natürliches
Anlehnen an die Meisterwerke der höheren Kunst, kein hierarchischer
Zwang, wie er während der Herrschaft des gothischen Stils auf alle
der Benediktinerinnen. Aber vor allen berühmt sind die herrlichen Intarsien des Fra
Damiano da Bergamo (1530) und Fra Raffaele da Brescia; erstere im Chore von
S. Domenico zu Bologna, diese in S. Petronio, achte Kapelle rechts. Von Fra Damiano
ist auch das schöne hintere Stuhlwerk im Chore von Sta. Maria Maggiore zu Bergamo.
Schon gegen Mitte des XVI. Jahrhunderts beginnt in Italien die Kunsttischlerei auszu-
schweifen, wovon im Texte das Nähere.
Auch in Frankreich, Deutschland und vornehmlich in Belgien brachte diese Zeit
treffliche Meister der Holzschnitzerei hervor. Ein Belgier Alberto di Brule dekorirt in
Venedig den Chor von St. Giorgio maggiore mit reich geschnitzten Historien und üppi-
gem Ornament. Ein Meister Johan von Oudenarde arbeitet für seine Vaterstadt und
sonst in Belgien. Siehe die Altarzierde im Chor der Kirche Notre-Dame zu Hal und
eine andere mit Karyatiden geschmückte dergl. in der Pfarrkirche zu Braine Le Comte
in Belgien. (Gailhabaud.)
Semper, Stil. II. 21
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gelegten Arbeit auf Holz, besonders auch beeinflusst durch die Metallo-
te chnik, der jene der Frührenaissance eigenen Schärfen und Feinheiten
zunächst angehören, der sie natürlich und stilgerecht sind. Die ohnediess
alttraditionelle Anwendung des Metalls zu Geräthen fand besonderen Vor-
schub durch die damals auf den Gipfel getriebene Kultur der Schutz-
waffen, in Folge welcher die Waffenschmiede Italiens (vornehmlich Lom-
barden) dahin gelangten, mit ihrer Kunst die orientalische, ja selbst die
antike Metallotechnik zu überbieten; Reichthum der Erfindung, Freiheit
und Meisterschaft in der Verwerthung aller dekorativ-formalen Hülfs-
mittel des Metalls, Vollkommenheit der technischen Ausführung vereinigen
sich in ihren Arbeiten mit dem ausgesuchtesten Geschmack und der
aller strengsten Stilgerechtigkeit.
Ueber sie und ihre Werke wird noch in der Metallotechnik zu reden
sein; hier sei nur bemerkt, dass sie die eigentlichen Erfinder der Re-
naissancearabeske sind, in der sich das orientalische Laubwerk und Muster
mit dem griechischen Akanthus so anmuthsvoll vermählt. So erlangte
das antike Bekleidungsprinzip plötzlich und von selbst (durch die Ver-
mittlung des Eisenkleides) wieder seinen uralten Einfluss, in der That
eine sehr merkwürdige Erscheinung in der Kunstgeschichte.
Das XVI. Jahrhundert war zu sehr monumentalen Charakters, dass
nicht die Kleinkünste, deren Blüthezeit das XV. Jahrhundert war, den
überwiegenden Einfluss der nun selbstständig gewordenen höheren Malerei
und Skulptur, vornehmlich aber der Monumentalarchitektur zu ihrem
Nachtheil erfahren mussten, wie dieses zu allen Zeiten der höchsten
Kunstbildung der Fall war. Doch war diese Abhängigkeit ein natürliches
Anlehnen an die Meisterwerke der höheren Kunst, kein hierarchischer
Zwang, wie er während der Herrschaft des gothischen Stils auf alle
der Benediktinerinnen. Aber vor allen berühmt sind die herrlichen Intarsien des Fra
Damiano da Bergamo (1530) und Fra Raffaele da Brescia; erstere im Chore von
S. Domenico zu Bologna, diese in S. Petronio, achte Kapelle rechts. Von Fra Damiano
ist auch das schöne hintere Stuhlwerk im Chore von Sta. Maria Maggiore zu Bergamo.
Schon gegen Mitte des XVI. Jahrhunderts beginnt in Italien die Kunsttischlerei auszu-
schweifen, wovon im Texte das Nähere.
Auch in Frankreich, Deutschland und vornehmlich in Belgien brachte diese Zeit
treffliche Meister der Holzschnitzerei hervor. Ein Belgier Alberto di Brule dekorirt in
Venedig den Chor von St. Giorgio maggiore mit reich geschnitzten Historien und üppi-
gem Ornament. Ein Meister Johan von Oudenarde arbeitet für seine Vaterstadt und
sonst in Belgien. Siehe die Altarzierde im Chor der Kirche Notre-Dame zu Hal und
eine andere mit Karyatiden geschmückte dergl. in der Pfarrkirche zu Braine Le Comte
in Belgien. (Gailhabaud.)
Semper, Stil. II. 21