Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schleswig-holsteinischer Kunstkalender — 1912

DOI Heft:
Literarische Beiträge
DOI Artikel:
Schulz, Detlef: Ein neuer holsteinischer Tondichter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19991#0089
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kamin", Pier lyrifche Stütfe opus 11, bei
§anfen, Kopenhagen u. £eip3ig) und <5efangs-
Bompofitionen. j\Uez das ift f>ausmu)if bie
auf die fein getönte Etüde Poesie „La Cas-
cade" (op. 14, (Lerefe Careno getpidmet) bei
Steingräber),dietPirunsimKon3ertfaaldenfen
fönnen, bis auf das jüngfte, noch unperöffent-
ücbteüariaüonenroertgroßenStils,undfcbüeß*
lieb, bis auf die für die Kirche gefebriebenen
JTlotetten. Die Cascade bat eine üorläuferin
in der anmutig fließenden, leife pon 6rteg be-
einflußten Klapierftudie „Jin der (Quelle"
(Hr. 2 der „PafteUbilder" op. 5). j^js.

Tiber fein Öeffes gibt Hietnann doch erft,
tpenn JtaturromanttH und ÖaUadenftimmung
feiner Pbantafie die Schwingen löfen. Das ge-
flieht zuzvftden Öalladen für Singftimme
und Klaoier op.4 (Sreitfopf & Härtel, £eip3ig);
namentlich „Der Knabe im ftloor" ift eine gan3
eigenartige, pon unheimlicher Hafurftimmung
durebtränfte, dabei merfmürdig anfebaulieb
Ponsipierte (Tondichtung, deren Durteil mit den
farbigen tJorbaltbarmonien („Die £ampe flim-
mert fo bc'tnotlia^") fd>on gan3 die ebarafte-
riftifebe llofalfarbe aufmeift: ()ier i>aben mir
fjeimatsPunft, und 3tpar folebe in bedeutendem
Sinne - nicht mundartliche <£nge des 6eficbts-
freifes, fondern allgemein menfaVicbe Stim-
mungen, gefeben durch die färben der t)eimat.
Die Klapierdid)tung „üor der SDaldfcbmiede"
(Hr. 4 der „PafteUbilder" op. 5, Magdeburg,
t)einricl)0bofenj feblägt ebenfalls einen pban-
taftifcf>en Con an, mehr gebeimnispoll als un-
heimlich, aber bei ooller Klarheit des <5e»<h-
nerifd)en doch durch und durch romantifcb; es
find nicht lyrifebe beiden und freuden der ein*
3elnen Perfönlicbfeit, fondern es ift die Hatur-
ftimmung felbft, die dem Dichter die Pbantafie
füllt - erft in dem Fraftpollen Sttittelfa^ D^Dur
fe£t die Srtlenfcbenftimme in tpeitfpannendem
©efange ein, Slkeresbraufen, den donnernden
^ubelton der ^eimifd)en Hordfee glauben tpir
in dem Präludium der Suite im alten Stil
(op. 6, bei 7*rtur p. Schmidt, £eip3ig; fälfcf)-
lidj „Hleißner Porsellan" genannt!) 3u boren.
JUtcf) in den übrigen Sätzen ift die Suite poll
3nfpiration, Poefie, Klangfarbe und toeitaus-
greifender HlelodiP, fa^teebnifeb, ein Dofument
erftaunlicf) fieber und natürlich geftaltender,
großzügiger Kontrapunftif. Daß die alte graue
See den (Tondichter infpiriert bat, es toird uns
3ur 6erpißbeit am Schluß der „§olfteinif<ben
Jdyllen". Denn dies Scblußftücf (durchaus
nicht idyUifcben, fondern eher mächtig epifeben
CbaraBters!) nennt (ich „Hordfeelandfcbaft" und
atmet eä^temeerluftdurd^tränEtelJalladenftim-
mung. Die §olffeintfcben Idyllen (op $, t)ie-
toeg, 6erlin^<Proßlicf)terfelde) find im übrigen

- einneuesiöerPim großenSfüausgenommen -
das Sarbigfte, öiuellendfte, tpas Hiemann in
le^ter <5eß gefebrieben bot» <£in 3arter Duft
fcbtpebt über diefen Stücfen. t>ier febaute der
Dieter feine Heimat im (Traum, die dirfen, die
fjeide, das Hloor, die See, den töald - und ein
Duft pon all den t)errliä)f eiten der berben, jung-
fräulichen Hatur da oben drang-binüber in die
£eip3iger Cbene. Die §olfteinifcben üdyllen
ffeben an ömfpiration, an natürlichem Duft
höher als die „Keifebilder" op. 10, roenn diefe
auch im Stil, in der immer fon3entrierter
fich geftaltenden Durchführungsarbeit einen
weiteren Schritt oortpärts bedeuten. jes.

DergefTen haben tpir noch den flBapellaBom-
poniften Hiemann: erjft durch drei Hlotetten
für gemifchten tyot pertreten, die, im Stil der
Paleftrina3eit und doch mit perfönlich-moder-
nem <f infcfylag gefchrieben, piel in den Kirchen
gefungen tperden (ieipsig, 6« Senff). js>

Hun aber Pommt als letztes ÜUerf des ^ol-
ffeiners und als eines der erften in großer
$orm (3 Klapierfonatinen, 3ehn „B^worellen",
eine Konsertfuite „t>eide-$rübling" und eine
Dioünfonate liegen noch im^Pult) fein Dariatio-
nentperE nach des holffeinifchen Poeten ^oh.
Einrieb $ehrs' epifcher Dichtung „Krieg und
^ütte" (»erlag €. C. ÄeucEart, £eip3ig). Jn
demfelbfterfundenen?thßwodieferPariationen,
einer getragenen, am Schluß in frommen 6e-
fang ausströmenden, fehr fchönen iiedtpeife,
mifchen lieh fpielerifch-idyllifche «Elemente mit
Haturftimmung und^lyrifchem ©efühlston. Das
überoo >ft öie r)eimat, roie fie (ich in des Dich-
ters Seele miderfpiegelt: j&js*
„3ch feh dich «och, du f>üttlein in der Jlacht,
^lls Schmers und £reude drinnen heftig rangen,
's amr XOintersseit, der hinter hauchte falt,
Der Schnee lag blendend über SOelt und $lur
Und Pnirfchte laut bei jedem harten (Tritt,
SDie das 3ertretne DolB in Schlesipig-r)olffein.
Die Richen, die das ^üttlein rings umfäumten,
Sie ftreeften hoch der <5n>eig* Eraus Geflecht
Ü)ie tpirres ^aar und drüber prangte hehr
Das Sternenselt - es glätte mie ein Öaum
Mit Ütillionen Richtern in die Höcht,
3n jene Höcht, die pormals uns den Ch^fl/
Den milden §errn und t}eiland hat gegeben."

<£s ift holfteinifd)es 3dyll, aber im Kähmen
und oft auch im <5egenfa^ 3ur großen Hatur.
Die ffrobgedeefte $ütte, die unter dem Schnee-
fleid und dem erhabenen Sternenhimmel des
nordtfehen Linters in der unbegrensten tDeite
pon ftleer und ^eide faft perfchmindet, die hei-
mifche Stätte, deren trauliche <£nge dem Hlen-
fchen (Quelle aller Kultur ift, und die doch in
nichts pergeht por der <ßröße der Hatur, der
mit taufend Jäden an die heimatliche ^ütte.
 
Annotationen