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Schleswig-holsteinischer Kunstkalender — 1912

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Literarische Beiträge
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Krumm, Johannes: Schleswig-Holstein im Auge seiner Dichter, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19991#0097
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V5 f

TVonn nod) ein Steg und oor mir lag der iöald,
"*^3n dem fd)on berbftli d) rot die6lätter bwgen,
Und drüber t>er, t>ocf> in der blauen £uft,
Stand beutefüdjtig ein geioalt'gec 13)eib,
Die $lügel fd)lagend durd) den Sonnenduft.
?Eief aus der §Öl3ung fd)oll des Räbers Sd)rei.
§erbftblütenduft und clannenbarägerud)
<£uoll mir entgegen fd)on auf meinem £0ege,
Und dort im ÄJalde flimmerte der 6rud),
Durdj den id) meinen Pfad nabm ine ©ebege,
Sdjon ffretften dort gleid) Säulen der Kapelle
flns Laubgeroö'lb die clannenftämme fid>.
Dann war's erreid)t und wie an Kird)enfd)welle
Umfd)auerte die Sd)attenEüble mid).

(Storni, ÜJaldweg).

5n der Kird)e berrfd)t Kird)enftimmung.
$reilidj nid)t die Stimmung der 5erEnirfd)ung
und £u)je, fondern die der Jreude und des
£obes. Die überwältigende Jülle und Kraft
der Sd)öpfung lenft die ©edanEen 3U dem
Sd)afifenden und weeft das ©efübl des
DanEes: js.je2.

fj)er bat did), du fd)Öner Söald,
"^^Bufg^baut fo l)od) da droben I
Diefen Uteifter will id) loben,
60 lang nod) mein Stimm erfdjallt.

Kommt alles 3ufammen, töald, Sommer,
Ulorgen, Sonne und fugend, ©efundbeit,
Lebensfreude, LebensEraft, fo quillt im Söalde
aus der ßruft beroor der Lebensluft atmende
DanEespfalm:

er red)t in Jreuden wandern will,
Der geh, der Sonn entgegen,
Da ift der töald fo Eird>enffill,
Kein Lüftdjen mag fid) regen.
Uod) find nid)t die Lerd)en wad),
Uur im boben ©ras der 6adj
Singt leife den Hlorgenfegen.

Die ganje SDelt ift wie ein 6udj,
Darin uns aufgetrieben
3n bunten feilen mandj ein Sprud),
£öie ©ott uns treu gebliebem
SDald und {Humen nab und fern
Und der belle illorgenftern
Sind Jeugen oon feinem hieben.

Da 3iebt die Tlndadjt wie ein §aud)
Durd) alle Sinnen leife,
Da pod)t ans f>er3 die Liebe aud)
3n ibrer ftillen iOeife,
Podjt und podjt, bis fid)'s erfdjliefjt
Und die Lippe überfliegt
Don lautem jubelnden Preife.

Und plöttlicb läßt die Uad)tigaU
3m Sufd) ibr Lied erflingen,
0n 6erg und {Tal erwad)t der Sd)all

Und will (id) aufwärts fd>wingen;
Und der iltorgenröte Sdjein
Stimmt in lid)ter ©lut mit ein:
Laßt uns dem §errn lobfingen.
So jubelt ©eibel, der frifd)e und fromme
Sänger aus dem beiteren (Dften des Landes
mit feinen lid)tcn 6ud)enwäldern. €s fd)eint,
als ob diefer <Eon ungemifd)ter $reude den
fd)wereren Uaturen des Steffens nid)t genüge.
flud> für |ie ift der ÜDald die Stätte der Lebens-
freude, aber 3U gleid)er 3eit 3«ebt fie die <£in-
famfeit in ibren fd)weren Öann, und der friede
der Uatur werft die Sebnfud)t nad) dem frieden
©ottes. So entftebt jenes merEwürdige ©edid)t
Klaus ©rotbs, das in feiner bell-dunElen Fär-
bung und in feiner fd)webenden ©efüblsbe^
tonung, den ©efüblsreid)tum des Baldes aus-
topfend, einen wunderbaren Uei? ausübt:

0 dat <Ed>o fcballt,
Daer de ÖöEen b»n
Ua de grö'ne tt)ald
JEretft mi §art un Sinn.
Xöenn de Droljel fielt,
tDenn de 6laeder weibt,
tDenn de iDind der geit
$aben bin.

De is jümmer fri
?ls de grote See,
Dar is Kum för mi
Un dat fd)üd)tern Deb,
Daer de bittre Uotb
Un den lewen ©oft. -
Un dar deit de Dot
Uid) mal web.

Xöenn de Droffel fleit,
Spring if rut to t}olt,
Xöenn de Ölaeder weibt,
©a iE nod) to tDold:
(Dd), de feeg mi fpringn
Un de bär mi Titian -
Un dar mud) iE liggn
Still un Eold.

Utoor, ^eide, Söald boben alle drei ibren
befonderen Stimmungsd)araEter: das Uloor
ift die Stätte trüber Sd)wermut, die §eide web-
mütiger (Träumerei, der SDald andäd)tiger Le-
bensfreude, ^lle drei baben aber aud) etwas
©emeinfames: alle drei find fo3ufagen b*fto-
rifd)e formen der £andfd)aft. tl)ie die krümmer
der 6urgen er3äblen oon einem andern 6au
der ©efellfd)afi, fo erinnern diefe an eine an-
dere ©eftalt des Landes. STtoor, r>eide und an
|id) audj der iöald find ungebrochene Uatur; in
diefe flüd)tet fid) die oon der Kultur bedrängte
Poefie. DerKeid)tum des Landes liegt in feiner
©egenwart, feinen ^dern und töiefen? die
 
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