KAPITEL XII
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einfach gehaltenen Kammer (XVI) mit drei Nischen, in denen sich schmucklose, aus dem
Felsen geschnittene Sarkophage befinden. Bei einem Architekten, der in der Grundriss-
entwicklung so fein zu disponieren versteht man vergegenwärtige sich nochmals die
Responsion der Hauptmotive in der Längsachse der Katakombe, und beobachte, wie in
der ersten Hälfte der Rundbau und in der zweiten die Zentralkammer wiederholt wird —,
darf man erwarten, dass er die Anforderungen der Zweckmässigkeit mit denen der
Schönheit zu vereinen weiss. Es wird also kein Zufall sein, dass er in den Korridoren die
Monotonie der Nischenreihung so augenfällig zeigt und die Ausnahmen gleichsam ver-
steckt, statt sie zur Verstärkung der Wirkung zu benutzen. So verweist er auch zwei
ungewöhnliche Grabnischen von spezifisch griechischer Form, die an den leeren Rück-
wänden der Zentralkammer überall leicht an-
zubringen gewesen wären, in die hintersten
Winkel, dahin wo nach dem ursprünglichen
Plan die Korridore enden sollten.
Es sind zwei zur Aufnahme von Aschen-
urnen bestimmte Wandnischen, deren eine in
Textbild 59, die andere in Textbild 60 ab-
gebildet ist. Die erstere befindet sich an der
im Grundriss Tafel V mit g bezeichneten Stelle
des östlichen Korridors (XV, y), es ist eine nach
oben bogenförmig abgeschlossene, unten mit
einer niedrigen Bank zum Aufstellen der Aschen-
urne versehene Nische, über welcher in Flach-
relief ein in einen rechteckigen Rahmen
gezeichneter Giebel angedeutet ist. Das Gefäss (une urne cineraire de terre cuite
grossiere) hat Botti noch vorgefunden (Memoire § 119), während ich es vergeblich
gesucht habe. Feiner in den Profilen und in den Verhältnissen ist die andere am ent-
gegengesetzten Ende des Umgangs in Korridor XV, a an Stelle / befindliche Nische.
Aus der Zeichnung werden die Einzelheiten ersichtlich. Die Aussenwand ist durch
Sockel, Sims und einen den Rand der Apsis einfassenden Streifen gegliedert. Unter-
wärts endigt die Nische in eine grabenartige Vertiefung, in welcher die Aschenurne
gestanden haben wird. Eine Gesamtansicht mit Verdeutlichung der Lage gibt Text-
bild 60. Hier offenbart sich so deutlich, wie nirgends wieder das wohlgeschulte Stilgefühl
eines griechischen Architekten. Und warum nur so vereinzelt? Ich glaube den Grund
zu erraten, wenn ich annehme, dass nur an dieser einen Stelle, und zwar bei der ersten
Anlegung der Katakombe, die Asche eines durch Leichenbrand bestatteten Griechen
beigesetzt worden ist. Es ist der einzige nachweisbare Fall der Verwendung einer
Aschenurne, neben so vielen Beisetzungen unverbrannter Leichen. Der zweiterwähnte
scheint erst später hinzugekommen zu sein, als von anderer, weniger geschickter Hand
die gegenüberliegende Nische g angelegt wurde. Vielleicht war das Aschengetäss der
Abb. 60. Westliche Nische / des Umgangs.
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einfach gehaltenen Kammer (XVI) mit drei Nischen, in denen sich schmucklose, aus dem
Felsen geschnittene Sarkophage befinden. Bei einem Architekten, der in der Grundriss-
entwicklung so fein zu disponieren versteht man vergegenwärtige sich nochmals die
Responsion der Hauptmotive in der Längsachse der Katakombe, und beobachte, wie in
der ersten Hälfte der Rundbau und in der zweiten die Zentralkammer wiederholt wird —,
darf man erwarten, dass er die Anforderungen der Zweckmässigkeit mit denen der
Schönheit zu vereinen weiss. Es wird also kein Zufall sein, dass er in den Korridoren die
Monotonie der Nischenreihung so augenfällig zeigt und die Ausnahmen gleichsam ver-
steckt, statt sie zur Verstärkung der Wirkung zu benutzen. So verweist er auch zwei
ungewöhnliche Grabnischen von spezifisch griechischer Form, die an den leeren Rück-
wänden der Zentralkammer überall leicht an-
zubringen gewesen wären, in die hintersten
Winkel, dahin wo nach dem ursprünglichen
Plan die Korridore enden sollten.
Es sind zwei zur Aufnahme von Aschen-
urnen bestimmte Wandnischen, deren eine in
Textbild 59, die andere in Textbild 60 ab-
gebildet ist. Die erstere befindet sich an der
im Grundriss Tafel V mit g bezeichneten Stelle
des östlichen Korridors (XV, y), es ist eine nach
oben bogenförmig abgeschlossene, unten mit
einer niedrigen Bank zum Aufstellen der Aschen-
urne versehene Nische, über welcher in Flach-
relief ein in einen rechteckigen Rahmen
gezeichneter Giebel angedeutet ist. Das Gefäss (une urne cineraire de terre cuite
grossiere) hat Botti noch vorgefunden (Memoire § 119), während ich es vergeblich
gesucht habe. Feiner in den Profilen und in den Verhältnissen ist die andere am ent-
gegengesetzten Ende des Umgangs in Korridor XV, a an Stelle / befindliche Nische.
Aus der Zeichnung werden die Einzelheiten ersichtlich. Die Aussenwand ist durch
Sockel, Sims und einen den Rand der Apsis einfassenden Streifen gegliedert. Unter-
wärts endigt die Nische in eine grabenartige Vertiefung, in welcher die Aschenurne
gestanden haben wird. Eine Gesamtansicht mit Verdeutlichung der Lage gibt Text-
bild 60. Hier offenbart sich so deutlich, wie nirgends wieder das wohlgeschulte Stilgefühl
eines griechischen Architekten. Und warum nur so vereinzelt? Ich glaube den Grund
zu erraten, wenn ich annehme, dass nur an dieser einen Stelle, und zwar bei der ersten
Anlegung der Katakombe, die Asche eines durch Leichenbrand bestatteten Griechen
beigesetzt worden ist. Es ist der einzige nachweisbare Fall der Verwendung einer
Aschenurne, neben so vielen Beisetzungen unverbrannter Leichen. Der zweiterwähnte
scheint erst später hinzugekommen zu sein, als von anderer, weniger geschickter Hand
die gegenüberliegende Nische g angelegt wurde. Vielleicht war das Aschengetäss der
Abb. 60. Westliche Nische / des Umgangs.