Die Trägheit der Regierrmg als System.
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wurde.*) Niemand kannte den eigentlichen Gedanken dieses Shstemech
Niemand wnßte etwas von dessen 'Ausgangspunkte und Ziele. Das
„SystenN war nnr ein höslicher Ausdruck für die gedankenlose Trägheist
welche an keinen Zweig der Verwaltung zu ruhren wagte und jeden
Fortschritt verdammte, weil er die Anstrengung der Bewegung voraus-
setzte. Aehnlich verhält es sich mit den gerühmten Maximen in der äußeren
Politik Oesterreichs. Nicht, was Gentz' Freunde schrieben, sondern wie
er empsand, giebt den Schlüssel zu ihrem Verständnisse. Gentz fürchtete
sich vor Blitz und Donner, vor einer rauhen Stimme, sogar vor erbosten
Gänsen, und wurde dadurch der passende Vertreter der österreichischen
Politik; denn in derselben Weise war auch bei Kaiser Franz die Furcht
die wichtigste Triebfeder seiner Handlungen. Zu den bitteren Erinnerun-
gen, die ihn seit seiner Thronbesteigung, ja noch von früheren Jahren
her — Kaiser Franz wurde als Kronpriuz zu den Berathungen über die
ständischen, in der Form mehr noch als im Änhalte verletzenden Be-
schwerden gezogen — verfolgten, kamen die Erfahrungen der letzten Zeit,
um seine Furcht zu steigern und, wie es bei absoluten Herrschern, welche
sich fürchten, stets beobachtet wird, diese in grimmigen Haß, in Verfolgungs-
wuth zu verwandeln. Ein gefährlicherer Feind als Napoleon war plötzlich
in den Constitutionellen, in den politisirenden Soldaten emporgestiegen.
Die Fürsten hatten in ihm einen Sohn der Revolution bekriegt, als sie
ihn besiegt, die „Unordnung mit der Wurzel ausgerissen" gewähnt. Nun
mußten sie erfahren, daß die Völker ihn als Despoten gehaßt, an seinen
Untergang die Auferstehung der Freiheit geknüpft hatten. Der Ruf nach
einer Verfassung erfüllte auf einmal die Luft Europa's. Man hörte ihn
unter den Deutschen, ihm mußten in Frankreich die Bourbons wie Na-
poleon nach seiner Rückkehr von Elba huldigen; diesen Ruf unterstützte
hier die Armee, in Ätalien war er sogar aus den Reihen des Heeres
zuerst hervorgegangen. Wenn der Oesterreichische Beobachter gegen die mili-
tärisch-despotischen Regierungen und den Ehrgeiz eines halbberauschten
Heeres auftrat, so war es in Wahrheit der Bund des bewaffneten Volkes
mit den liberalen Anschauungen, das politische Bewußtsein in den Kreisen
der Offiziere und Soldaten, welches er im Sinne des Kaisers mit Lei-
denschaft verfolgte. Die unmittelbaren Gefahren für Oesterreich waren
zwar bei der geistigen Abgeschlossenheit des letzteren nicht groß, die Ber-
breitung dieser Jdeen immerhin bei der Unzufriedenheit in Ungarn, der
Unsicherheit der Verhältnisse in Jtalien bedenklich, jedenfalls dieses ganze
Treiben der Natur des Kaisers widerwürtig, seiner Denkweise widerspre-
*) Ueber diefts angebliche „Systenr" haben die politischen Flugschriften vor dem
Jahre 1848 viele unnütze Worte verschwendet, seine Erklärung der Verfasser der Genesis
S. 50) vergeblich versucht.
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wurde.*) Niemand kannte den eigentlichen Gedanken dieses Shstemech
Niemand wnßte etwas von dessen 'Ausgangspunkte und Ziele. Das
„SystenN war nnr ein höslicher Ausdruck für die gedankenlose Trägheist
welche an keinen Zweig der Verwaltung zu ruhren wagte und jeden
Fortschritt verdammte, weil er die Anstrengung der Bewegung voraus-
setzte. Aehnlich verhält es sich mit den gerühmten Maximen in der äußeren
Politik Oesterreichs. Nicht, was Gentz' Freunde schrieben, sondern wie
er empsand, giebt den Schlüssel zu ihrem Verständnisse. Gentz fürchtete
sich vor Blitz und Donner, vor einer rauhen Stimme, sogar vor erbosten
Gänsen, und wurde dadurch der passende Vertreter der österreichischen
Politik; denn in derselben Weise war auch bei Kaiser Franz die Furcht
die wichtigste Triebfeder seiner Handlungen. Zu den bitteren Erinnerun-
gen, die ihn seit seiner Thronbesteigung, ja noch von früheren Jahren
her — Kaiser Franz wurde als Kronpriuz zu den Berathungen über die
ständischen, in der Form mehr noch als im Änhalte verletzenden Be-
schwerden gezogen — verfolgten, kamen die Erfahrungen der letzten Zeit,
um seine Furcht zu steigern und, wie es bei absoluten Herrschern, welche
sich fürchten, stets beobachtet wird, diese in grimmigen Haß, in Verfolgungs-
wuth zu verwandeln. Ein gefährlicherer Feind als Napoleon war plötzlich
in den Constitutionellen, in den politisirenden Soldaten emporgestiegen.
Die Fürsten hatten in ihm einen Sohn der Revolution bekriegt, als sie
ihn besiegt, die „Unordnung mit der Wurzel ausgerissen" gewähnt. Nun
mußten sie erfahren, daß die Völker ihn als Despoten gehaßt, an seinen
Untergang die Auferstehung der Freiheit geknüpft hatten. Der Ruf nach
einer Verfassung erfüllte auf einmal die Luft Europa's. Man hörte ihn
unter den Deutschen, ihm mußten in Frankreich die Bourbons wie Na-
poleon nach seiner Rückkehr von Elba huldigen; diesen Ruf unterstützte
hier die Armee, in Ätalien war er sogar aus den Reihen des Heeres
zuerst hervorgegangen. Wenn der Oesterreichische Beobachter gegen die mili-
tärisch-despotischen Regierungen und den Ehrgeiz eines halbberauschten
Heeres auftrat, so war es in Wahrheit der Bund des bewaffneten Volkes
mit den liberalen Anschauungen, das politische Bewußtsein in den Kreisen
der Offiziere und Soldaten, welches er im Sinne des Kaisers mit Lei-
denschaft verfolgte. Die unmittelbaren Gefahren für Oesterreich waren
zwar bei der geistigen Abgeschlossenheit des letzteren nicht groß, die Ber-
breitung dieser Jdeen immerhin bei der Unzufriedenheit in Ungarn, der
Unsicherheit der Verhältnisse in Jtalien bedenklich, jedenfalls dieses ganze
Treiben der Natur des Kaisers widerwürtig, seiner Denkweise widerspre-
*) Ueber diefts angebliche „Systenr" haben die politischen Flugschriften vor dem
Jahre 1848 viele unnütze Worte verschwendet, seine Erklärung der Verfasser der Genesis
S. 50) vergeblich versucht.