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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 2): Das 6. und frühe 7. Jahrhundert — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.71526#0168
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verschiedenen Gestaltung der Fassaden von Einfluß ge-
wesen sein. Vergleichen wir aber die Einzelformen der
windbewegten Kapitelle und die Tür- und Gesimsfor-
men, so wird Idar, daß ein direkter Einfluß nicht greifbar
ist. Bei den Pfeilerkapitellen mit windbewegtem Akan-
thus sind die Darstellung der umgewehten Blatthälften
und Blattüberfälle, sowie das Verhältnis der Hüllblatt-
zone zur oberen Blattreihe vergleichbar (Taf. 47a), doch
steht das Kapitell in Bäqirhä mit der Herauslösung von
Einzelblättern und d. h., der Auflösung der Blatteinheit
in der Tradition der Kapitelle der Hallawiya. Da diese
enge Bindung an die städtische Formenwelt das gesamte
Kapitellbild der Kirche bestimmt, in der Trinitätskirche
dagegen nur bei einigen Kapitellen zu finden ist, macht
dieser Vergleich nur den großen Abstand zwischen bei-
den Bauten bewußt.
Die Tür- und Gesimsformen weisen in dieselbe Rich-
tung: Wenn die Blattformen von Typ 1 m-o (Abb. 1)
und die verschiedenen Blattmuster auf den Säulenkapi-
tellen von Bäqirhä (Taf. 48-50) die Darstellung der „Me-
daillonranke“ in Dar Qitä angeregt haben, so wurden sie
so intensiv zum geometrischen Flächenmuster weiterge-
bildet, daß ein direkter Zusammenhang nicht mehr
nachweisbar ist.
Besonders aufschlußreich ist der Vergleich der Türen.
In der Gesamtform wie in der Ornamentik ist die Aus-
einandersetzung mit der Tür des Markianos in beiden
Kirchen grundverschieden: In Dar Qitä wurde die Ge-
samtform tiefgreifend verändert, und von den Haupt-
ornamenten der Markianostüren wurden nur die speziellen
Formen der Astragale übernommen (Taf. 110; 111). In
Bäqirhä wurde bei der Westtür (Taf. 443; 45a) die Ge-
samtform fast kopierend aufgenommen und die Haupt-
formen der Ornamentik wurden durch zeitgemäße Ein-
zelmotive „modernisiert“. Eine Beeinflussung der Türen
in Dar Qitä durch die Formen der Ostkirche von
Bäqirhä ist in keinem einzigen Detail festzustellen. Ähn-
lich ist der Befund der Gesimse (Taf. 46c-e): Das Ge-
samtbild der Gesimse ist in Bäqirhä - bei aller Variation
- einheitlicher als in Dar Qitä. Keine der von uns aufge-
nommenen Profilfolgen wiederholt sich in der Trinitäts-
kirche, da die Auswahl der Profilformen und ihre Kom-
bination in beiden Kirchen verschieden ist. Vor allem die
Verwendung von Rundprofilen ist bei beiden Kirchen
unterschiedlich (vgl. Taf. 46 mit Taf. 106k. 1).
Die Fenstergesimse der Trinitätskirche haben ihre Par-
allelen in einzelnen Gesimsen der großen Kirche von
Banqüsä (vgl.Taf. 1061 mit 58i. k) und Einzelprofile wie
die spezielle Ausbildung der Hohkehle und des Wulst-
profils führen zu Kirchen, die wir um die Jahrhundert-
mitte oder in die Jahrzehnte zwischen 550 und 570
n. Chr. datierten (vgl. Taf. 94e. f). Einen terminus post
quem können die Haupttür der Kirche von Frikya (wohl
524 n. Chr.) und vor allem die Gesimsformen der Ser-
gioskirche geben (Taf. 96): Die Kombination von obe-

rem Wulstprofil mit cyma recta oder Hohlkehle im
Gebälk bei der dortigen Nord- und Südtür steht den
Gesimsformen der Südtür (Taf. 108a) in der Trinitäts-
kirche nahe - ich komme auf die Datierung mit der Kir-
che von Qasr Iblisü zurück.
Zusammenfassend läßt sich sagen: Charakteristikum
des Dekorationssystems der Trinitätskirche ist die Auf-
nahme und Umbildung einer Reihe von Kapitell- und
Ornamentformen, die nach QaFat Simcän entwickelt
wurden, und ihre Verbindung mit Formen regionaler
Tradition. Die besondere Art der Zusammenstellung die-
ser Formen im Innen- und Außenbau wiederholt sich in
keinem der mir bekannten Bauten des 6. Jhs. Die Form
der Kapitelle mit glattem Akanthus im Kircheninneren,
die Darstellung der Rankenformen auf den Türen und
die Tatsache, daß einige der Blattmuster des 6. Jhs. zu
geometrischen Flächenmustern weitergebildet wurden
und in der einschiffigen Kirche von Qasr Ibhsü eine enge
Parallele haben, sprechen dafür, daß die Werkleute aus
dem Gebel Bärisä kamen. Einiges deutet darauf hin, daß
die Kirche gegen Mitte und v erst in der zweiten Hälfte
des 6. Jhs. errichtet wurde686.
Die Trinitätskirche von Dar Qitä und die
Ostkirche von Qa§r Iblisü
Bis jetzt wurde in der Antiochene nur eine Kirche be-
kannt, in deren Dekorationssystem eine der neuen Akan-
thusformen auf den Kapitellen der kreuzförmigen Anlage
von QaFat Simcän - der Blattypus mit ausgeweiteten
Negativrillen und negativen Dreiecksformen in glatter
Blattfläche - Hauptform im Dekor der Fassadentüren ist:
die einschiffige Kirche von Qasr Iblisü687. Da sie enge
Werkstattsbeziehungen mit der Trinititätskirche verbin-
den688, sind die beiden Kirchen vergleichend gegenüber-
zustellen.
Den Bogen an der Stirnseite des Altarraumes mit sei-
nem in die Quaderflächen eingetieften Gesims tragen
korinthische Kapitelle mit glattem Akanthus. Das süd-
liche Kapitell (Taf. 112e. f) führt zur Werkstatt der
Trinitätskirche, da es in allen Einzelformen weitgehend
mit den Kapitellen der dortigen westlichen Pfeilervor-
lagen (Taf. 109b; 112c) und der Säulenkapitelle über-
einstimmt. Das nördliche Kapitell (Taf. 112d) steht den
Kapitellen der Trinitätskirche nahe, hat aber in ihr kein
Pendant, sondern führt mit seinen weit aufspreizenden
Mittelstegen zu einer ganzen Reihe von Pfeilerkapitellen

686 Butler datierte die Kirche in die zweite Hälfte des 6. Jhs. — PAES
II Bl87.
687 AAES II234.; PAES II B 207 f. und Abb. 214.
688 Richtig gesehen von Naccache, Decor I 274.

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