Kirchen des 6.17. Jahrhunderts im Gebel Simcan
EINFÜHRUNG
Abweichend vom Aufbau der vorangehenden Kapitel
werden im folgenden die Kirchen mit korinthischen Säu-
lenkapitellen als Hauptform des Innenraumes und die
Kirchen mit mehr als zwei Kapitelltypen in einer Säulen-
reihe zusammen diskutiert, weil sich der Gesamtbefund
der Baudekoration des Gebel Simcän (Karte 1) in mehr
als einer Hinsicht von dem der anderen Regionen der
Antiochene unterscheidet. Es überrascht, daß im 6. Jahr-
hundert ausgerechnet in der Region des Wallfahrtszen-
trums Qalcat Simcän, der Basilika von Turmanin, des
NW-Klosters von Deir Simcän und der Phokaskirche
von Bäsufän die Aufnahme der Formenwelt von Qalcat
Simcän außerordentlich zurückhaltend war. Diese Fest-
stellung gilt selbst für die beiden Kirchen, die aufgrund
ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu QaFat Simcän
anders zu beurteilen sind als die Bauten im Inneren des
Gebel Simcän: In der NO-Kirche von Deir Simcän wei-
sen allein die fortlaufenden Gesimse der Ostfassade, die
Portikuskapitelle und die Hochgadenfenster auf die
Nähe des großen Zentrums hin, und in der Kirche von
Msabbak entstanden zwar die Dekorationsformen des
Apsisbereichs in enger Anlehnung an Dekorationsfor-
men Qalcat Simcäns, doch der größte Teil der Säulenka-
pitelle und der Türen führen nicht dorthin zurück.
Hinzu kommt, daß das Gesamtbild der Kirchen in
dieser Region einfacher ist als das der zentralen Regionen
und in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts einen Verfall
handwerklicher Fertigkeiten erkennen läßt, der - obwohl
der Grundsituation in anderen Regionen vergleichbar -
nach einer Erklärung verlangt.
MSABBAK
In dem kleinen Ort928 blieben nur wenige Häuser in sehr
ruinösem Zustand erhalten. Die einzige, am Westrand
der Siedlung gelegene Kirche dagegen ist einer der am
besten erhaltenen Bauten des Kalksteinmassivs. Sie
wurde zuerst von H.C. Butler in Grundriß, Schnitten
und Außenansichten vorgestellt und in das 4. Jahrhun-
dert datiert929 - eine Datierung, die er später korrigiert
und in der Zeit um 460 n. Chr. angesetzt hat930. Die
Kirche wurde im 6. Jahrhundert errichtet und sie wird
im folgenden ausführlich vorgestellt, weil sie eine Schlüs-
selposition bei der Analyse lokaler Werkstätten nach Fer-
tigstellung des Baukomplexes von Qalcat Simcan ein-
nimmt.
Kirche des ausgehenden 5. oder 6. Jahrhunderts.
Eine dreischiffige Säulenarkaden-Basilika (Taf. 135
a-d)931 mit je sechs Säulenjochen auf der N- und S-Seite,
halbrunder Apsis mit südlichem Martyrion und nörd-
lichem Nebenraum bei gerade abschließender Ostwand,
einem Durchgang zwischen Apsis und nördlichem Ne-
benraum, zwei Türen in der Süd- und je einer Tür in der
West- und Nordfassade. Das Apsisrund akzentuiert ein
Innengesims, doch die Hochgadenzone gliedert kein
Horizontalgesims. Die Hochgadenfenster und alle Fassa-
denfenster sind ohne rahmende Gesimse, allein die bei-
den Apsisfenster verbindet ein einfaches Gesimsband.
Bemerkenswert ist der Aufbau der Arkadenhoch-
wände (Taf. 135b. c): Der Achsabstand der Säulen be-
trägt 3 m932, und die ohne Verjüngung oder Schwellung
gearbeiteten Säulen sind fast 2 m höher; die Fenster-
achsen sind nicht auf die Säulenachsen bezogen, und
ebenso sind die Konsolenachsen unabhängig von denen
der Fenster; die bewußte Aufteilung in unabhängige
horizontale Schichten ist Charakteristikum der Arkaden-
hochwände933. Eine Parallele für die Konstruktion der
Fensterzone bietet die zweite, an das Ende des 5. oder
den Anfang des 6. Jahrhunderts führende Bauphase der
Kirche von Haräb Sams, und auch die zwei Fensterreihen
der Westfassade sowie die Formen der dortigen Westtür
(Taf. 142f) verbinden beide Kirchen934.
Erhaltungszustand. Nicht in situ sind: die Dachkon-
struktion des Mittelschiffs, der Seitenschiffe und der beiden
Apsisnebenräume, die Eindeckung der Apsis sowie der
Giebel der Ost- und Westfassade - einige Quader des
Ostgiebels ausgenommen.
Archivolte des Apsisbogens. Das Gesims tritt weit aus
der Quaderfläche vor (Taf. 135d; 142h) und zeigt die
Folge von hoher oberer Leiste, oben und unten schräg
928 AAES II 143 f.; Tchalenko, Villages I 78; Lassus, Sanctuaires
230 ff.
929 PAES II B 342 Abb. 391.
930 Butler, Early churches 62 ff.
931 PAES II B Abb. 391.
932 Hier ist noch einmal daran zu erinnern, daß der Achsabstand in
der Ost- und Westkirche von Turin 2,90 m beträgt.
933 Butler, Early churches Abb. 61.
934 Tchalenko, Eglises III Abb. 48. 52.
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EINFÜHRUNG
Abweichend vom Aufbau der vorangehenden Kapitel
werden im folgenden die Kirchen mit korinthischen Säu-
lenkapitellen als Hauptform des Innenraumes und die
Kirchen mit mehr als zwei Kapitelltypen in einer Säulen-
reihe zusammen diskutiert, weil sich der Gesamtbefund
der Baudekoration des Gebel Simcän (Karte 1) in mehr
als einer Hinsicht von dem der anderen Regionen der
Antiochene unterscheidet. Es überrascht, daß im 6. Jahr-
hundert ausgerechnet in der Region des Wallfahrtszen-
trums Qalcat Simcän, der Basilika von Turmanin, des
NW-Klosters von Deir Simcän und der Phokaskirche
von Bäsufän die Aufnahme der Formenwelt von Qalcat
Simcän außerordentlich zurückhaltend war. Diese Fest-
stellung gilt selbst für die beiden Kirchen, die aufgrund
ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu QaFat Simcän
anders zu beurteilen sind als die Bauten im Inneren des
Gebel Simcän: In der NO-Kirche von Deir Simcän wei-
sen allein die fortlaufenden Gesimse der Ostfassade, die
Portikuskapitelle und die Hochgadenfenster auf die
Nähe des großen Zentrums hin, und in der Kirche von
Msabbak entstanden zwar die Dekorationsformen des
Apsisbereichs in enger Anlehnung an Dekorationsfor-
men Qalcat Simcäns, doch der größte Teil der Säulenka-
pitelle und der Türen führen nicht dorthin zurück.
Hinzu kommt, daß das Gesamtbild der Kirchen in
dieser Region einfacher ist als das der zentralen Regionen
und in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts einen Verfall
handwerklicher Fertigkeiten erkennen läßt, der - obwohl
der Grundsituation in anderen Regionen vergleichbar -
nach einer Erklärung verlangt.
MSABBAK
In dem kleinen Ort928 blieben nur wenige Häuser in sehr
ruinösem Zustand erhalten. Die einzige, am Westrand
der Siedlung gelegene Kirche dagegen ist einer der am
besten erhaltenen Bauten des Kalksteinmassivs. Sie
wurde zuerst von H.C. Butler in Grundriß, Schnitten
und Außenansichten vorgestellt und in das 4. Jahrhun-
dert datiert929 - eine Datierung, die er später korrigiert
und in der Zeit um 460 n. Chr. angesetzt hat930. Die
Kirche wurde im 6. Jahrhundert errichtet und sie wird
im folgenden ausführlich vorgestellt, weil sie eine Schlüs-
selposition bei der Analyse lokaler Werkstätten nach Fer-
tigstellung des Baukomplexes von Qalcat Simcan ein-
nimmt.
Kirche des ausgehenden 5. oder 6. Jahrhunderts.
Eine dreischiffige Säulenarkaden-Basilika (Taf. 135
a-d)931 mit je sechs Säulenjochen auf der N- und S-Seite,
halbrunder Apsis mit südlichem Martyrion und nörd-
lichem Nebenraum bei gerade abschließender Ostwand,
einem Durchgang zwischen Apsis und nördlichem Ne-
benraum, zwei Türen in der Süd- und je einer Tür in der
West- und Nordfassade. Das Apsisrund akzentuiert ein
Innengesims, doch die Hochgadenzone gliedert kein
Horizontalgesims. Die Hochgadenfenster und alle Fassa-
denfenster sind ohne rahmende Gesimse, allein die bei-
den Apsisfenster verbindet ein einfaches Gesimsband.
Bemerkenswert ist der Aufbau der Arkadenhoch-
wände (Taf. 135b. c): Der Achsabstand der Säulen be-
trägt 3 m932, und die ohne Verjüngung oder Schwellung
gearbeiteten Säulen sind fast 2 m höher; die Fenster-
achsen sind nicht auf die Säulenachsen bezogen, und
ebenso sind die Konsolenachsen unabhängig von denen
der Fenster; die bewußte Aufteilung in unabhängige
horizontale Schichten ist Charakteristikum der Arkaden-
hochwände933. Eine Parallele für die Konstruktion der
Fensterzone bietet die zweite, an das Ende des 5. oder
den Anfang des 6. Jahrhunderts führende Bauphase der
Kirche von Haräb Sams, und auch die zwei Fensterreihen
der Westfassade sowie die Formen der dortigen Westtür
(Taf. 142f) verbinden beide Kirchen934.
Erhaltungszustand. Nicht in situ sind: die Dachkon-
struktion des Mittelschiffs, der Seitenschiffe und der beiden
Apsisnebenräume, die Eindeckung der Apsis sowie der
Giebel der Ost- und Westfassade - einige Quader des
Ostgiebels ausgenommen.
Archivolte des Apsisbogens. Das Gesims tritt weit aus
der Quaderfläche vor (Taf. 135d; 142h) und zeigt die
Folge von hoher oberer Leiste, oben und unten schräg
928 AAES II 143 f.; Tchalenko, Villages I 78; Lassus, Sanctuaires
230 ff.
929 PAES II B 342 Abb. 391.
930 Butler, Early churches 62 ff.
931 PAES II B Abb. 391.
932 Hier ist noch einmal daran zu erinnern, daß der Achsabstand in
der Ost- und Westkirche von Turin 2,90 m beträgt.
933 Butler, Early churches Abb. 61.
934 Tchalenko, Eglises III Abb. 48. 52.
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