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V.

Ein bedeutender Rest des Prachtbaues
Konstantins d. Gr. am heil. Grabe zu Jerusalem.

Der Zugang zur Grabeskirche befindet sich heute auf der Südseite. Ein kleiner
Platz gestattet den Überblick über die hoch aufsteigende Eingangswand, die an dem
mächtigen Gebäudekonglomerat der einzige bedeutendere Rest organisch gefügten
architektonischen Schmuckes ist. Man möchte glauben, dieses künstlerische Haupt-
stück, das sich dem Gedächtnisse des Pilgers neben den heiligen Stätten am dauern-
sten einprägt, sei in der unübersehbaren Litteratur über die Grabeskirche eingehend
gewürdigt worden und wir müssten nur das richtige Buch zu finden wissen, um über all
die interessanten Einzelheiten dieser Schmuckfassade befriedigende Auskunft zu er-
halten. Dem ist nicht so. Diese Thatsache dürfte ebenso überraschen, wie sie
bezeichnend ist. Man hat mit unendlicher Geduld alle Pilgerberichte veröffentlicht
und verarbeitet, man hat jedem künstlich zugehauenen Stein des heiigen Landes die
eifrigste Beachtung geschenkt; aber an der monumentalen Häufung solcher Steine,
an einem Geschichtsdokument allerersten Ranges, wie es die Fassade der Grabes-
kirche ist, ging und geht man stumpfen Auges vorüber. Das ist gewiss nur aus dem
Tiefstande der wissenschaftlichen Kunstforschung und daraus zu erklären, dass es
noch keine Zeit gegeben hat, in der das Interesse für die christlichen Denkmäler
des Orients vom Standpunkte künstlerischer Wertschätzung aus in weiteren Kreisen
lebhaft gewesen ist. Den bescheidenen Versuch, den ich nachfolgend mache, vorerst
an einem einzelnen, Allen bekannten Beispiele der unendlich reichen Denkmälerwelt
des heiigen Landes die Art vorzuführen, wie diesen wichtigsten Zeugen der Ge-
schichte vielleicht näher zu kommen sein dürfte, soll mehr ein Zeichen guten Willens
sein. Ich kenne die christlichen und arabischen Denkmäler des Orients aus lang-
jähriger, stiller Beschäftigung einigermassen: auf diesem Gebiete fehlen fast alle
wissenschaftlichen Grundlagen. Eines Einzelnen Arbeit kann da unmöglich gleich
festen Boden schaffen.

Die Fassade der Grabeskirche fügt sich keinem der uns geläufigen Stilbegriffe
ein. Sie ist nicht gotisch und nicht romanisch, der Abendländer wird sie eher
für arabisch, der Orientale eher für abendländisch halten, jeder wird seinen Teil
ebenso wie Fremdes daran finden. Es handelt sich also um einen Mischstil und dem
 
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