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ZWEITER ABSCHNITT

Bildsäulen der Familie der Balbi, einen wundervollen stehen-
den Redner, dessen Seele gespannt ist von dem Ernst der
Dinge, die er sagen wird, er ist ein wirklicher Staatsmann und
der antiken Rednerbühne würdig; dann Tiberius, Antonius,
Adrian, Marc-Aurel: alle diese Kaiser und Konsuln haben
die Köpfe von Politikern und Geschäftsleuten, welche denen
der heutigen Kardinäle ähnlich sehen. In dem Masse,
in dem man zu einem uns näherstehenden Zeitalter vor
dringt, wandelt sich die Kunst zum Bildnis; sie veredelt
nicht mehr, sie kopiert; das Gesicht des Sextus Empirikus,
des Seneca ist ängstlich, gequält, hässlich und kleinlich
ähnlich wie ein Abguss. Unser Museum Campana in
Paris zeigt, wie die Bildhauerei vom Beginn der niederen
Jahrhunderte an nichts anderes mehr wiedergibt als per-
sönliche und krankhafte Besonderheiten, Nervenzucken,
Entstellung, triviale Eigenheit, kurz Augenblicksphoto-
graphien der Bürger Henri Monniers.
Es gibt, glaube ich, sieben oder achthundert Gemälde.
Was mich anbetrifft, der ich nicht Maler bin, so kann ich
nur die Eindrücke eines Menschen wiedergeben, dem die
Malerei viel Freude bereitet, und der in ihr überdies eine
Ergänzung der Geschichte erblickt.
Mehrere Bildnisse von Raffael, darunter das eines Kar-
dinals, das des Ritters Tibaldeo und eins Leos X. —
Dieser Leo X. ist ein guter, grober, ziemlich gewöhnlicher
Scheinheiliger und seine Gewöhnlichkeit wird noch auf-
fälliger durch den Gegensatz seiner Messgehilfen, zweier
schlauen, klugen Kirchengesichter. Was Raffael so hoch
erhebt, ist sichtlich das Gleichgewicht und die vollkommene
Gesundheit seines Geistes. Seine Bildnisse geben das
innerste Wesen eines Menschen ohne Umschweife.
Ribera. — Ein trunkner Silen mit überquellendem Bauch,
einer Vitelliusbrust, einem schwarzen, niedrigen und bösen
 
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