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111 Thomasin von Zerelaere.

Thomasin dagegen ist den üblichen Weg des Domherrn gegangen. Er
hat eine Kathedralschnle besucht, hat die sieben freien Künste und dann
Theologie mit Fleiß studiert, sich an einem oberitalienischen Hofe weiter-
gebildet und endlich eine Stelle im heimischen Kapitel angenommen.
Seine Bildung ist ihm nicht aus Deutschland, sondern aus den in diesen
Jahrhunderten ungleich überlegenen französischen Schulen zugeflos-
sen^. Von den Provenzalen lernt er die Dichtung, von den Franzosen
das weltliche Wissen.
Vor allem aber das unterscheidet ihn von seinem Herrn: ist dieser
in erster Linie Staatsmann und Politiker, so ist Thomasin wesentlich
Theologe und Prediger. Auch da, wo er notgedrungen zu den Fragen
des Tages, zu den Dingen des Staates und der sozialen Ordnung
Stellung nehmen muß, geschieht das ausschließlich von der Theologie
her. Den Begriff der iustitiu, wie ihn einst Augustin gefaßt hat, über-
nimmt er als Grundlage und oberstes Gesetz des Staates. Zum reüt
verpflichtet er den Fürsten, gerechtes Gericht zu halten sei sein vor-
nehmstes Anliegen. Gerechtes Gericht für arm und reich (12430).
Nichts darf ihn dabei irremachen, weder karnnwM, vorbt, miun nncl
unminu noch Kklmm, gäbe, nit nnä uiisiu (12483f.). Nur Gott soll
er fürchten, denn auch er steht in der Hand Gottes, dem er sein Amt
verdankt (6258). Sein Amt ist schwer und verantwortungsvoll. Darum
dränge sich niemand zur Herrschaft, der nicht von Gott dazu berufen
ist (6907ff.). Gott allein kann, wie er einst David von den Schafen und
Josef aus seinem Kerker geholt hat, so auch heute Könige auserwählen.
Schwer ist das Amt, schwerer als einer seiner Untertanen mnß einst der
Fürst für eigene und fremde Sünde büßen. Darum stärke er sich durch
demütiges Gebet (12 867ff.). Vor allem aber hüte er sich vor der Hof-
fahrt, vor frevelhaftem Übermut (12367). Übermut hat einst Mbuobo-
clono8vr und UnIUiusar (10867ff.) gestürzt. Er hat in unserer Zeit
mehrmals einen Griechenkaiser des Thrones und des Lebens beraubt
(10595ff.). Übermut ist sträfliche Auflehnung gegen die institiu. iiüiuu
muot aber soll den Fürsten beseelen, damit er die Pflichten seines Amtes
erfülle, Adler und Löwe^ seien sein Vorbild, nicht aber — wie im
Dieser Sohn ist in derselben Zeit Chorherr in Passau. Kalkoff (Anni. 77) 7. Das
ist ein deutlicher Verstoß gegen den mehrfach gefaßten Synodal- nnd Cvuzilsbeschluß,
daß Söhne von Priestern nicht an denselben Kirchen angestellt werden dürfen wie
ihre Väter. Hefele (Anin. 198) V 763; 892. e. 16. X. cls Mis pre.Mvterorum
(1. 17). 6r«A. cleer.
s. o. Abschnitt 3; 4; ähnlich urteilt Leist (Anni. 777) 1881, 41 Anm.
E Vgl. Walther (Lachni.) 12,25; dazu die Anm. bei Wilmanns (Anm. 176)
11« S. 87.
 
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