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I. Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache

J’ai cherche a formuler des theses nettes; si eiles ne sont
pas conformes a la verite, il sera par la meme facile d’y
montrer les erreurs.
A. Meillet, Trois Conferences sur les Gathas p. 7.

A. Das Problem
1. Gegeben1 ist uns eine Reihe von Sprachen: sie ziehen sich seit der
ältesten Zeit, in die geschichtliche Forschung hineinzuleuchten vermag,
in einem breiten Gürtel von Nordindien über das Hochland von Iran,
über das südliche, mittlere und größtenteils auch über das nördliche Ost-
europa, über das gesamte Mittel- und Westeuropa, bis zu seinem äußersten
Vorposten, nach Irland. An dem Gürtel sitzen drei größere Zipfel: ein
nördlicher, Skandinavien, und zwei südliche, Italien und Griechenland.
In neuerer Zeit, sozusagen vor unseren Augen, haben sich einzelne unter
ihnen noch weitere Gebiete erobert: Island, Nordamerika, Südamerika,
Südafrika, Australien. Wir nennen diese Sprachen mit einem von dem
deutschen Orientalisten Klapuoth in den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts geschaffenen Ausdruck „indogermanisch“ (idg.) oder auch,
mit einer dem Französischen2 nachgeahmten Prägung, „indoeuropäisch“.
Was die idg. Sprachen miteinander verbindet, sie zu einer eigenartigen
Gruppe innerhalb der Sprachen der Welt zusammenschließt, ist eine
überaus hohe Zahl auffallender Ähnlichkeiten, die man zwischen ihnen
findet, und zwar um so leichter, je weiter man in ihrer Geschichte empor-
steigt. So wenig lassen sich diese Ähnlichkeiten übersehen, daß man auf
sie aufmerksam wurde und sie zu erklären versuchte, längst ehe es eine
1 Im folgenden bringe ich einen Vortrag, den ich am 26. 1. 1953 vor der Sächsi-
schen Akademie der Wissenschaften gehalten habe, im ganzen unverändert, ver-
werte aber gewisse wertvolle Anregungen und Einwände, die die Diskussion ergab.
In den Fußnoten verweise ich außerdem mehrfach auf die inzwischen erschienene
Abhandlung von W. Wissmann Der Name der Buche, Deutsche Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, Vorträge und Schriften, Heft 50 (Berlin 1952).
2 Vielmehr: dem Englischen: Wissmann o. c. 8f.
 
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