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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 1) — Berlin: Grote, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.71997#0135

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Die heilige Familie des Agnolo Doni in den Uffizien

117

XI
Die heilige Familie des Agnolo Doni in den Uffizien
Bereits in der ersten Auflage bringt Vasari Alles, was er zu
sagen hat über dies Gemälde: dass Agnolo Doni es bei Michel-
angelo bestellt und Dieser es so sorgfältig ausgeführt habe, wie
kein anderes. Er rühmt den Ausdruck des Glückes und der
Freude, den Greis daran theilnehmen zu lassen, in dem Kopf
der Maria, das Zartgefühl und die Ehrfurcht, mit welcher Joseph
das Kind in Empfang nimmt, die grosse Kunst in den Jünglingen
des Hintergrundes. Auch erzählt er die in unserem ersten
Bande (S. 111) mitgetheilte Geschichte von der Bezahlung, die
übrigens von Condivi verschwiegen wird. Nach Letzterem hatte
der Künstler 70, nach Vasari 140 Dukaten für das Werk erhalten.
Varchi (Leichenrede) bewunderte es bei dem Sohne Agnolos, Giam-
battista. Doni in seinem „Disegno" (S. 49) erwähnt es als von „dem
Meister der Meister" geschaffen.
Grimm erzählt (auf Grund welcher Quelle?), es sei dreissig Jahre
später für 220 Skudi verkauft worden und der Käufer hoffte noch
mehr dafür in Lyon zu erhalten; von dort müsse es nach Florenz
zurückgekehrt sein. In den „Bellezze di Firenze" 1678 berichtet
Cinelli in einer Note: das berühmte Rundbild Michelangelos ist
jetzt in der Tribune, da es von einem Doni seinem Vater, mit dem
er sich erzürnt hatte, weggenommen und dem Grossherzog geschenkt
wurde, der ihm als Entgelt dafür die Podesteria del Galluzzo mit
Prolongation von sechs Monaten gab (Geldwerth: 500 Skudi).
Die neueren Urtheile, so sehr die Kunst in dem geschlossenen
Aufbau der reich bewegten, plastisch gedachten Gruppe und die
Potenz der Gestaltung allgemein anerkannt wird, sind doch fern
davon, die unbedingte Bewunderung Vasaris zu bestätigen. Man ver-
misst die hohe Auffassung, das Seelische in den Figuren. Weder
die mütterliche Maria, die Michelangelo überhaupt nicht habe, noch
die feierliche Maria, sondern nur eine Heroine sei dargestellt, meint
Wölfflin. Burckhardt ruft aus: Leute mit solcher Gesinnung sollten
keine hl. Familie mehr malen. Justi nennt die poetische Wirkung
vollständig verfehlt und geht so weit, zu äussern: „man glaubt eine
Episode aus der Vorstellung einer Gymnastikerfamilie zu sehen.
Dazu passten die Figuren aus der Palästra im Hintergründe."
Symonds bezeichnet Maria als eine contadina, aber freilich von
sublime dignity and grace, Johannes als ignoble und Christus als
,,a commonplace child". Auch das Koloristische findet zumeist
strenge Kritik: Michelangelo habe Nichts von Lionardos malerischer
Kunst gelernt. Mit Umgehung aller Sfumature gäbe er mit grosser
 
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