194
Das Juliusdenkmal
mäler. Nur die Anordnung, die allegorische Bedeutsamkeit ist neu,
und auch hierin macht sich der Einfluss der Antike, wenn auch
mehr in indirektem, als direktem Sinne geltend.
Diese Zeilen waren geschrieben, als der Schlussband der Ge-
schichte der christlichen Kunst von F. X. Kraus erschien. Zu
meiner Freude finde ich meine Ansicht durch die Meinung Josepli
Sauers bestätigt. Auch er erklärt die Sklaven und Viktorien, wie
ich es gethan, und findet „die Grundelemente des christlichen
Lebens mit den traditionellen Elementen angebracht". Freilich will
er in den freien Künsten nicht eine Anspielung auf das Mäcenaten-
thum des Verstorbenen erkennen — wie erklärt sich dann aber die
Fesselung? — sondern er fasst sie nur, gleich den Tugenden, als
praeambula fidei, als Repräsentanten des rein natürlichen Heilsweges,
der rein natürlichen Gotteserkenntniss auf, und fährt fort: „über
dem bloss das natürliche Heilsstreben versinnbildenden Unterbau
ist die Plattform ganz dem auf der Offenbarung sich aufbauenden
übernatürlichen Heilsleben gewidmet. Moses und Paulus, die Typen
der alt- und neutestamentlichen Heilsökonomie, zugleich die glänzen-
den Vorbilder Dessen, der hier sein Credo vor dem letzten Ruhe-
gang nochmals sprach; die Kardinaltugenden: die Vita activa und
Vita contemplativa, die überaus häufig über den Ruhestätten der
Todten meist in entsprechenden Heiligentypen, wie Maria und
Martha, Rahel und Lea, Katharina und Barbara angebracht waren"
— diese Behauptung ist nicht begründet und nicht zutreffend —
„weil in ihnen das Leben jedes Christen als Verwirklichung der
evangelischen Mahnung: Vigilate et orate, sich resumirt: sie sind
nichts Anderes als die abgekürzte Formel der Kardinal- und theo-
logischen Tugenden, der stereotypen Inventarstücke des Grabmal-
schmuckes gerade der Renaissancekunst." Hier scheint mir Sauer
zu weit gegangen: die Einführung der Vita activa und Vita con-
templativa ist eine Neuerung, die Michelangelo bringt, ebenso wie
die von „Himmel" und „Erde".
2. Der Moses
Die Statue ist 1506 begonnen und in den Jahren 1512—1516
ausgeführt worden. Sie ist im Wesentlichen vollendet. Nicht die
letzte Hand angelegt wurde, wie Heath Wilson bemerkte, an die
Draperie auf dem linken Daumen, an die beiden Hände und an
einen Theil des Halses und der Haare. Bezüglich der linken Hand,
die in das Buch hineingehe, meint Platner, Michelangelo habe sich
verhauen.
Drei auffallende Erscheinungen machen sich in der Darstellung
geltend.
Das Juliusdenkmal
mäler. Nur die Anordnung, die allegorische Bedeutsamkeit ist neu,
und auch hierin macht sich der Einfluss der Antike, wenn auch
mehr in indirektem, als direktem Sinne geltend.
Diese Zeilen waren geschrieben, als der Schlussband der Ge-
schichte der christlichen Kunst von F. X. Kraus erschien. Zu
meiner Freude finde ich meine Ansicht durch die Meinung Josepli
Sauers bestätigt. Auch er erklärt die Sklaven und Viktorien, wie
ich es gethan, und findet „die Grundelemente des christlichen
Lebens mit den traditionellen Elementen angebracht". Freilich will
er in den freien Künsten nicht eine Anspielung auf das Mäcenaten-
thum des Verstorbenen erkennen — wie erklärt sich dann aber die
Fesselung? — sondern er fasst sie nur, gleich den Tugenden, als
praeambula fidei, als Repräsentanten des rein natürlichen Heilsweges,
der rein natürlichen Gotteserkenntniss auf, und fährt fort: „über
dem bloss das natürliche Heilsstreben versinnbildenden Unterbau
ist die Plattform ganz dem auf der Offenbarung sich aufbauenden
übernatürlichen Heilsleben gewidmet. Moses und Paulus, die Typen
der alt- und neutestamentlichen Heilsökonomie, zugleich die glänzen-
den Vorbilder Dessen, der hier sein Credo vor dem letzten Ruhe-
gang nochmals sprach; die Kardinaltugenden: die Vita activa und
Vita contemplativa, die überaus häufig über den Ruhestätten der
Todten meist in entsprechenden Heiligentypen, wie Maria und
Martha, Rahel und Lea, Katharina und Barbara angebracht waren"
— diese Behauptung ist nicht begründet und nicht zutreffend —
„weil in ihnen das Leben jedes Christen als Verwirklichung der
evangelischen Mahnung: Vigilate et orate, sich resumirt: sie sind
nichts Anderes als die abgekürzte Formel der Kardinal- und theo-
logischen Tugenden, der stereotypen Inventarstücke des Grabmal-
schmuckes gerade der Renaissancekunst." Hier scheint mir Sauer
zu weit gegangen: die Einführung der Vita activa und Vita con-
templativa ist eine Neuerung, die Michelangelo bringt, ebenso wie
die von „Himmel" und „Erde".
2. Der Moses
Die Statue ist 1506 begonnen und in den Jahren 1512—1516
ausgeführt worden. Sie ist im Wesentlichen vollendet. Nicht die
letzte Hand angelegt wurde, wie Heath Wilson bemerkte, an die
Draperie auf dem linken Daumen, an die beiden Hände und an
einen Theil des Halses und der Haare. Bezüglich der linken Hand,
die in das Buch hineingehe, meint Platner, Michelangelo habe sich
verhauen.
Drei auffallende Erscheinungen machen sich in der Darstellung
geltend.