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Das Juliusdenkmal
Burckhardt: „ein Sieger auf einem Besiegten knieend und das
während des Kampfes nach hinten gestreifte Gewand wieder her-
vorziehend, mit einer Wendung und Bewegung, die freilich hier-
durch nur nothdürftig motivirt wird."
Guillaume, welcher die Statue le genie victorieux nennt, findet
bei aller Grossartigkeit die Komposition gezwungen und leere Stellen,
und meint, die Gestalt hätte (wie die Figur der Zeichnung in der
Casa Buonarroti) Flügel aus Marmor oder Bronze erhalten sollen.
Springer: „die erbarmungslose Knechtung eines unterlegenen
Gegners." „Während des Kampfes glitt ihm der Mantel von
der Schulter herab, erst jetzt, nachdem der Sieg vollendet ist,
sucht er ihn wieder emporzuziehen. Die Bewegung des Armes,
der quer über die Brust gelegt ist und dann nach oben gewendet,
um mit der Hand den Mantelzipfel zu fassen, mag vielleicht etwas
gezwungen erscheinen. Sie giebt aber das Augenblickliche und
Unbewusste der Handlung vortrefflich wieder. Im stolzen Genüsse
des Triumphes greift der Held nur mechanisch nach dem fallenden
Kleide und denkt nicht erst darüber nach, ob er das Geschäft nicht
bequemer vollführen könnte. Dieser Gegensatz zwischen Stimmung
und Thätigkeit, so gross und doch ganz natürlich motivirt, würde
noch viel wirkungsvoller sich gestalten, wenn wir das Marmorwerk
vollendet besässen und wenn nicht die Maassverhältnisse des Blockes
die Freiheit der Umrisse eingeengt hätten."
Heath Wilson wollte nicht zugeben, dass die Gruppe für das
Juliusdenkmal geschaffen sei. Er meint, Michelangelo, der hier
mehr rohe Gewalt als Sieg dargestellt habe, habe in einer Allegorie
die ihm selbst widerfahrene Unterdrückung (die in Seravezza er-
duldete Tyrannie) ausgedrückt.
Auch Grimm hat sich gegen die Annahme, der Sieger ge-
höre zum Juliusdenkmal, in einer kritischen Untersuchung (VIII. Auf-
lage, Anhang des I. Bandes) ausgesprochen. Seine Argumente sind,
wie oben dargelegt worden, hinfällig.
Symonds, der Nichts entscheiden will, bemerkt, dass Kritiker
in dem Kopf des Besiegten Ähnlichkeit mit Michelangelo gefunden
— eine durch Nichts begründete Behauptung. „The head of the
victorious youth seems too small for his stature, and the features
are almost brutally vacuous, though burning with an insolent and
carnal beauty. The whole forcible figure expresses irresistible
energy and superhuman litheness combined with massive strength."
Müntz macht sich Guillaumes Meinung, die Gestalt habe
Flügel erhalten sollen, zu eigen. Der Sieger scheine die Gegner
herauszufordern. Compare au Saint Georges de Donatello, c'est
la nevrose de courage opposee ä une assurance calme et digne.
Stolz und Verachtung seien ausgedrückt.
Das Juliusdenkmal
Burckhardt: „ein Sieger auf einem Besiegten knieend und das
während des Kampfes nach hinten gestreifte Gewand wieder her-
vorziehend, mit einer Wendung und Bewegung, die freilich hier-
durch nur nothdürftig motivirt wird."
Guillaume, welcher die Statue le genie victorieux nennt, findet
bei aller Grossartigkeit die Komposition gezwungen und leere Stellen,
und meint, die Gestalt hätte (wie die Figur der Zeichnung in der
Casa Buonarroti) Flügel aus Marmor oder Bronze erhalten sollen.
Springer: „die erbarmungslose Knechtung eines unterlegenen
Gegners." „Während des Kampfes glitt ihm der Mantel von
der Schulter herab, erst jetzt, nachdem der Sieg vollendet ist,
sucht er ihn wieder emporzuziehen. Die Bewegung des Armes,
der quer über die Brust gelegt ist und dann nach oben gewendet,
um mit der Hand den Mantelzipfel zu fassen, mag vielleicht etwas
gezwungen erscheinen. Sie giebt aber das Augenblickliche und
Unbewusste der Handlung vortrefflich wieder. Im stolzen Genüsse
des Triumphes greift der Held nur mechanisch nach dem fallenden
Kleide und denkt nicht erst darüber nach, ob er das Geschäft nicht
bequemer vollführen könnte. Dieser Gegensatz zwischen Stimmung
und Thätigkeit, so gross und doch ganz natürlich motivirt, würde
noch viel wirkungsvoller sich gestalten, wenn wir das Marmorwerk
vollendet besässen und wenn nicht die Maassverhältnisse des Blockes
die Freiheit der Umrisse eingeengt hätten."
Heath Wilson wollte nicht zugeben, dass die Gruppe für das
Juliusdenkmal geschaffen sei. Er meint, Michelangelo, der hier
mehr rohe Gewalt als Sieg dargestellt habe, habe in einer Allegorie
die ihm selbst widerfahrene Unterdrückung (die in Seravezza er-
duldete Tyrannie) ausgedrückt.
Auch Grimm hat sich gegen die Annahme, der Sieger ge-
höre zum Juliusdenkmal, in einer kritischen Untersuchung (VIII. Auf-
lage, Anhang des I. Bandes) ausgesprochen. Seine Argumente sind,
wie oben dargelegt worden, hinfällig.
Symonds, der Nichts entscheiden will, bemerkt, dass Kritiker
in dem Kopf des Besiegten Ähnlichkeit mit Michelangelo gefunden
— eine durch Nichts begründete Behauptung. „The head of the
victorious youth seems too small for his stature, and the features
are almost brutally vacuous, though burning with an insolent and
carnal beauty. The whole forcible figure expresses irresistible
energy and superhuman litheness combined with massive strength."
Müntz macht sich Guillaumes Meinung, die Gestalt habe
Flügel erhalten sollen, zu eigen. Der Sieger scheine die Gegner
herauszufordern. Compare au Saint Georges de Donatello, c'est
la nevrose de courage opposee ä une assurance calme et digne.
Stolz und Verachtung seien ausgedrückt.