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EINLEITUNG

N einem zeitgenössischen Bericht, den man bei Restaurierungsarbeiten der
Turmknäufe der Wittenberger Stadtkirche fand1, wird anschaulich ge-
schildert, wie Lucas Cranach 1547 von Kaiser KarlV. in sein Heerlager
vor Wittenberg entboten und von ihm hoch geehrt wurde. Kurz vorher
erst war sein großer Flügelaltar, nach der Tradition am Tage der Schlacht
bei Mühlberg, im Gottesdienst der Gemeinde übergeben worden, wohl
sein letztes unter seinen Augen vollendetes Monumentalwerk evangelischen Bekemitnisses.
Cranach hat sich für Luther entschieden, aber sein Künstlertum bleibt unangetastet und be-
gehrt auch von den entschiedensten Gegnern der Reformation wie Kaiser Karl V., Herzog
Georg von Sachsen, Kardinal Albrecht. - Cranach war damals nicht wie viele andere ge-
flüchtet, als der Kampf um Wittenberg und die Belagerung der Stadt begann, sondern war
geblieben und konnte dann aus langer Erfahrung als Ratsherr, Stadtkämmerer und Bürger-
meister2 mithelfen, daß die Stadt zu ehrenvollen Bedingungen übergeben werden konnte.
Der Maler ist hier Repräsentant des politisch mächtig gewordenen Bürgertums, zugleich aber
erbittet er als einzige Gnade vom Kaiser nichts für sich, sondern die Freilassung seines Kur-
fürsten Johann Friedrich. Sie wird nicht gewährt, aber Cranach teilte freiwillig dessen Ge-
fangenschaft, im hohen Alter von 78 Jahren. Der Künstler war auch als Mensch in seiner
Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit geachtet und als geistvoller Freund hochgeschätzt.
Interessant ist auch der Grund, warum KarlV. ihn zu sich holen läßt: Er sowenig wie seine
Umgebung kann sagen, ob ein bestimmtes Cranach-Gemälde, das Johann Friedrich ihm einst
geschenkt hatte, vom Vater oder Sohn Cranach stamme; nun soll Cranach selbst Auskunft
geben. Das Problem der Cranach-Werkstatt existierte also auch damals schon. Da der Kaiser
auch noch Näheres von ihm wissen will über ein Bildnis, das Cranach einst in den Nieder-
landen von ihm als Jungen gemalt hat, klingt in dieser Szene auch noch die große Bildnis-
kunst des Meisters an, mit dessen Augen wir heute weithin die Menschen der Reformations-
zeit sehen. - Cranach selbst ist ein ausgesprochener Mensch dieser so aufgewühlten und ent-

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